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Vererbbare Netzhaut-, Aderhaut- und Sehbahnerkrankungen bezeichnen eine große Gruppe von Augenerkrankungen. In Deutschland leben derzeit rund 45-80.000 Menschen mit solchen seltenen und sehr seltenen Netzhauterkrankungen. Sie werden ausgelöst durch krankheitsverursachende Veränderungen in einzelnen Genen. Diese Veränderungen der Gene können das Sehen und damit das tägliche Leben erheblich beeinträchtigen.
Neben den vererbbaren Erkrankungen gibt es außerdem erworbene Netzhaut-, Aderhaut-Erkrankungen. Diese sind weiter verbreitet. Etwa sieben Millionen Bundesbürgerinnen und -bürger sind zum Beispiel an einer frühen oder fortgeschrittenen Form der Altersabhängigen Makula-Degeneration (AMD) erkrankt. Wie funktionieren das Auge und das Sehen eigentlich und was bedeutet es, wenn die Netzhaut nicht mehr richtig arbeitet?

Im Folgenden sind einige grundlegende Informationen für alle vererbbaren Erkrankungen zusammengefasst. Weiterführende detaillierte Informationen, auch zu den erworbenen Erkrankungen wie der Altersabhängigen Makula-Degeneration (AMD), finden Sie in den patientenverständlichen Beschreibungen der einzelnen Krankheiten und - für Leserinnen und Leser mit Vorwissen - der Krankheitsgruppen:

Das Auge

Querschnitt eines Auges (im Text erklärt)
Querschnitt eines Auges

Das Auge ist ein komplex aufgebautes Organ. Mit ihm nehmen wir die Umwelt wahr und können kommunizieren. Das Licht aus der Umwelt tritt durch die klare Hornhaut und die Linse in das Auge ein. Durch die Brechkraft von Hornhaut und Linse werden die Lichtstrahlen auf die Netzhaut des Auges scharf eingestellt. Die eintreffenden Lichtsignale werden in der Netzhaut aufgenommen, verarbeitet und als Informationen über den Sehnerv an das Gehirn weitergeleitet. Zu diesen Informationen gehören unter anderem Helligkeit, Kontrast, Farbe oder Bewegung.

Im Gehirn entsteht in der Regel aus den zusammengesetzten Informationen von beiden Augen ein Bild von unserer Umwelt, das dann mit unseren Erfahrungen verglichen wird. So erkennen wir zum Beispiel einen neuen Stuhl, weil wir in unserer Erfahrung gespeichert haben, wie die Grundform eines Stuhls aussieht. So erkennen Kinder ab einem gewissen Alter ihre Eltern, weil sie sich erinnern und vergleichen können, wie diese aussehen.

Die Netzhaut (Retina)

Grafik einer Netzhaut (im Text beschrieben)
Aufbau der Netzhaut

Die Netzhaut ist ein komplexes Netzwerk von Zellen. Sie ist in mehreren Schichten aufgebaut. Außen liegen die Fotorezeptoren. Das sind die lichtempfindlichen Zellen der Netzhaut. Diese unterteilen sich in Stäbchen und Zapfen. Die Stäbchen sind zuständig für das Sehen im Dunkeln und von Bewegung. Die Zapfen sind zuständig für das Sehen im Hellen und für das Farbensehen. Für die Farbwahrnehmung unterscheidet man Blau-, Grün- und Rotzapfen. Unter den Fotorezeptoren liegt das retinale Pigmentepithel (RPE). Es ist für die Regeneration und Ernährung der Fotorezeptoren wichtig. Das retinale Pigmentepithel wird wiederum von der Aderhaut versorgt.

Die Fotorezeptoren nehmen die Lichtinformation auf, die nachfolgenden Zellen verarbeiten diese weiter. Das Ergebnis dieser Verarbeitung wird an die Ganglienzellen der Netzhaut übertragen. Fortsätze der Ganglienzellen bilden den Sehnerv. Über diesen werden die Informationen zum Gehirn übertragen.

Die Makula

Die Netzhaut des Menschen, einiger Wirbeltiere und Vögel hat eine besondere Struktur. In der Mitte der Netzhaut befindet sich die Makula. In der Makula sind vorwiegend Zapfen besonders dicht angeordnet. An der Stelle des schärfsten Sehens ist die Dichte besonders hoch. Diese Stelle nennt man Fovea. Die Makula mit der Fovea erlaubt das Sehen mit der höchsten Auflösung. Farben und Kontraste werden optimal unterschieden.

Die Makula ist wichtig für unsere heutige Kommunikation: Mit der Makula erkennen wir ein Gesicht und seine verschiedenen Besonderheiten. Mit der Fovea lesen wir. Allerdings immer nur einen Teil des Textes. Um die Zeile zu verfolgen, benötigen wir die ganze Makula.

Die periphere Netzhaut

Die Netzhaut außerhalb der Makula wird auch als Netzhautperipherie bezeichnet. Hier befinden sich mehr Stäbchen als Zapfen. Diese Bereiche sind daher für das Sehen im Dunkeln zuständig. Sie sind zudem für das Erkennen von Bewegung wichtig: Wir erkennen dort zum Beispiel eine Bewegung. Dann schauen wir mit der Makula in die Richtung der Bewegung und erkennen ein Kind, das auf unser Auto zuläuft.

Das seitliche Gesichtsfeld ist aber auch für die Orientierung in der Umgebung wichtig: Wir sehen dort die Details nicht so scharf, erkennen aber den Verlauf von Straßen oder die offenstehende Tür eines Küchenschranks, ohne uns an dieser zu stoßen.

Wenn die Netzhaut nicht mehr richtig arbeitet

Es gibt eine Reihe von vererbbaren und erworbenen Erkrankungen, die die Funktion der Netzhaut beeinträchtigen können. Vererbbare Erkrankungen werden durch krankhafte Veränderungen in den Genen verursacht. Erworbene Erkrankungen haben eine Reihe verschiedener Ursachen. Dazu gehören Gefäßerkrankungen oder Veränderungen durch das Alter.

Ist die Funktion der Makula gestört, führt dies zu einer Verschlechterung der Sehschärfe (Visus). Betroffene haben Schwierigkeiten beim Lesen, bei Arbeiten mit hohen Anforderungen an die Sehschärfe oder beim Autofahren. Außerdem können sie Farbsehstörungen haben, empfindlich auf Licht reagieren und sich leichter geblendet fühlen (Blendempfindlichkeit). Da die Zapfen vorwiegend in der Makula angeordnet sind, führt eine Erkrankung der Zapfen (zum Beispiel eine Zapfendystrophie) zu ähnlichen Symptomen wie Makulaerkrankungen.

Eine Funktionsstörung der Netzhautperipherie führt zu Einschränkungen des Gesichtsfeldes. Betroffene haben Probleme, sich zu orientieren. Da die Stäbchen vorwiegend in der Peripherie angeordnet sind, führt eine Erkrankung der Stäbchen ebenfalls zu Gesichtsfeldausfällen. Außerdem können Betroffene bei Stäbchenerkrankungen im Dunkeln schlechter sehen. Diese Beeinträchtigung kann bis zu Nachtblindheit gehen.

Funktionsstörungen des retinalen Pigmentepithels und/oder der Aderhaut führen zu Funktionsstörungen der Fotorezeptoren, die durch sie versorgt werden. Diese Störungen können sowohl die Makula als auch die Peripherie betreffen.

Eine Funktionsstörung der Ganglienzellen führt zu Sehbahnerkrankungen. Dabei ist die Übertragung von Informationen von der Netzhaut zum Gehirn beeinträchtigt. Die Folge sind Verschlechterung der Sehschärfe und Gesichtsfeldausfälle.

Verschiedene farbige Schichten der Netzhaut
Modell gesunder Netzhaut
Veränderte Netzhaut bei AMD

Krankheitsbeginn und -verlauf

Die Krankheit kann bereits zum Zeitpunkt der Geburt auftreten, aber auch in jedem anderen Lebensalter. Vererbbare Erkrankungen entwickeln sich oft in den ersten beiden Lebensjahrzehnten. Deshalb hat man früher den Begriff „juvenil“ verwendet. Heute ist bekannt, dass sich vererbbare Erkrankungen in allen Lebensaltern bemerkbar machen können. Dies führt dazu, dass insbesondere bei älteren Menschen vererbbare Erkrankungen mit erworbenen Erkrankungen verwechselt werden, die in diesem Alter häufiger auftreten.

Der Verlauf und die Ausprägung der Krankheit sind bei den verschiedenen Erkrankungen sehr unterschiedlich. Aber auch bei derselben Erkrankung und selbst innerhalb einer Familie sind Verlauf und Ausprägung sehr variabel. Das bedeutet: Eine zuverlässige Vorhersage des Krankheitsverlaufs ist in der Regel nicht möglich.

Die Gene

Unsere Erbinformation wird in den Genen gespeichert und weitergegeben. Diese Informationen umfassen alle notwendigen Daten

  • für den Aufbau der Zellen unseres Körpers und
  • für alle Abläufe in diesen Zellen, die für deren Funktion entscheidend sind.

Diese Abläufe sind komplex und noch nicht alle geklärt. Derzeit sind mindestens 280 Gene bekannt, die mit vererbbaren Netzhaut-, Aderhaut- und Sehbahnerkrankungen assoziiert sind. Veränderungen in diesen Genen sind die Ursache für circa 75 bis 80 % aller vererbbaren Netzhaut-, Aderhaut- und Sehbahnerkrankungen. Nach den bisher noch unbekannten Genen wird intensiv geforscht.

Mehr zum Thema Genetik

Bei der molekulargenetischen Diagnostik lassen sich mit einer einfachen Blutentnahme viele mögliche Genveränderungen ermitteln, die Ursache für die Erkrankungen sein können. Moderne Techniken der molekulargenetischen Diagnostik erlauben eine schnelle Untersuchung vieler Gene.

Mehr zum Thema molekulargenetische Diagnostik

Häufigkeit

Über die Häufigkeit der einzelnen Erkrankungen gibt es unterschiedliche und teils sehr widersprüchliche Aussagen. Das hat verschiedene Gründe. Unter anderem:

  • Es sind nicht alle Betroffenen diagnostiziert.
  • Die Sicherheit der Diagnose konnte in vielen Studien nicht überprüft werden.
  • Die Häufigkeit genetischer Veränderungen kann erst seit einigen Jahren durch kostengünstigere Verfahren untersucht werden.
  • In bestimmten ethnischen Gruppen sind einzelne Erkrankungen häufiger als in anderen.

Daher wird auf Angaben zur Häufigkeit bei einzelnen Erkrankungen verzichtet. Die Häufigkeit der Erkrankungen insgesamt kann man jedoch hochrechnen. Die Basis ist die Häufigkeit genetischer Veränderungen in verschiedenen Datenbanken sowie auf der Basis von Querschnitt-Studien in der Bevölkerung. Diese Hochrechnung lässt vermuten: In Deutschland sind zwischen 45.000 und 80.000 Menschen von einer erblichen Netzhaut-, Aderhaut- oder Sehbahnerkrankung betroffen.

Fragen und Antworten von unseren Netzhautexpert*innen

Wer die Diagnose Netzhauterkrankung erhält, stellt sich viele Fragen – zu Diagnose, Therapie, Beruf, Familie oder Hilfsmitteln. Denn Netzhauterkrankungen betreffen die gesamte Lebensplanung. Als Patientenselbsthilfe gibt PRO RETINA den Betroffenen Antworten und Orientierung in dieser schwierigen Lebenssituation und zeigt ihnen, dass das Leben trotz Seheinschränkung lebenswert ist. Lesen Sie einige der Antworten auf häufig gestellte Fragen zum Thema Netzhauterkrankungen.

 

PRO RETINA bietet Unterstützung bei:

Atrophia gyrata, AVMD (adult vitelliforme Makuladystrophie), BBS (Bardet-Biedl-Syndrom), CHM (Chorioideremie), DMÖ (Diabetisches Makulaödem), HJMD (Hypotrichose mit juveniler Makuladystrophie), Kearns-Sayre-Syndrom, LCA (Lebersche Kongenitale Amaurose), LHON (Lebersche Hereditäre Optikus-Neuropathie), Makula-Degeneration, AMD (Altersabhängige Makula-Degeneration), Juvenile Makuladystrophien, Mac Tel (Makuläre Teleangiektasien), Morbus Best, Morbus Stargardt, Pathologische Myopie, RCS / CSS (Retinopathia centralis serosa / Chorioretinopathia centralis serosa, Refsum-Syndrom, RP (Retinitis pigmentosa), Usher-Syndrom, Zapfendystrophie, ZSD (Zapfen-Stäbchen-Dystrophie), Zentrale areoläre Aderhautdystrophie.