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Rheopherese zur Behandlung AMD

Stellungnahme des Arbeitskreises Klinische Fragen (AKF) der PRO RETINA

Zuletzt geprüft am 01.02.2022

Vor dem Hintergrund der nach wie vor begrenzten Therapiemöglichkeiten für die Altersabhängige Makula-Degeneration (AMD) wird zurzeit die Rheopherese als Therapieverfahren angeboten. Dabei handelt es sich um ein Verfahren, das seit langem in der Inneren Medizin etabliert ist, z.B. bei Fettstoffwechselstörungen. Bei der Rheopherese wird ähnlich wie bei der Dialyse Blut aus einer Vene entnommen. Dieses Blut wird in die zellulären und flüssigen Bestandteile (Plasma) aufgetrennt. Das Blutplasma fließt durch einen speziellen Filter, bevor es mit den Blutzellen zusammen wieder in die Vene des Patienten zurückgeleitet wird. Ziel der Filterung ist die Entfernung hochmolekularer Eiweißstoffe (Proteine) und Fette (Lipide) aus dem Plasma. Dazu gehören unter anderem Fibrinogen, Cholesterin und LDL, aber auch Antikörper der Immunabwehr wie IgG und IgM. In Folge des Filterungsprozesses kommt es zu einer Herabsetzung der Plasmaviskosität um ca. 15 % und zu einer verminderten Neigung der roten Blutkörperchen, sich aneinander zu lagern. Beide Faktoren führen zu einer generellen Verbesserung des Blutflusses. Bezüglich der Durchblutung des Auges ist es allerdings sehr schwer zu beurteilen, welche Auswirkungen dieses Verfahren auf den Blutfluss in der Aderhaut besitzt. Noch schwieriger ist es, Blutflussänderungen im Makulabereich zu beurteilen. Es ist daher nicht ohne Weiteres möglich, eine Hypothese über einen möglichen Wirkmechanismus der Rheopherese bei der AMD aufzustellen.

Mittlerweile gibt es erste klinische Studien, die den Einfluss der Rheopherese auf den Verlauf der AMD untersucht haben. An der Augenklinik Köln wurde von Brunner und Mitarbeitern (2000) eine Studie an 40 Augen von 40 Patienten durchgeführt. Dabei wurden 20 Patienten behandelt und 20 Patienten im natürlichen Verlauf beobachtet. Nach 5 Behandlungen ergab sich für die behandelten Patienten eine Besserung um eine halbe Sehschärfen-Stufe, die Patienten ohne Behandlung zeigten eine Herabsetzung um fast eine Sehschärfen-Stufe.
Eine wesentliche Einschränkung dieser Studie ist, dass die Patienten unterschiedliche Formen der Altersabhängigen Makula-Degeneration hatten, sowohl die trockene wie auch die feuchte Form. Außerdem war die Zahl der untersuchten Patienten relativ klein. Eine Langzeitbeobachtung an der gleichen Augenklinik an 20 Patienten hat gezeigt, dass durch 10-malige Behandlung im ersten Jahr und je viermalige Behandlung in den Folgejahren die Sehschärfe um im Mittel eine Sehschärfenstufe gegenüber dem Ausgangswert angehoben werden konnte. Darüber hinaus wurden kürzlich die ersten Zwischenergebnisse einer größeren, randomisierten Studie aus den USA veröffentlicht, wobei es um 43 bisher untersuchten Augen mit AMD ohne subretinale Gefäßneubildung (Gefäßneubildung unter der Netzhaut) ging (Multicenter Investigation of Rheopheresis for AMD (MIRA-1) Studie). Dabei zeigte sich bei 8 Behandlungen im Zeitraum von 10 Wochen nach 12 Monaten eine Verbesserung um eine halbe Sehschärfen-Stufe für die behandelten Augen, jedoch eine Verschlechterung von fast einer Sehschärfen-Stufe für unbehandelte Augen. Allerdings ist der Unterschied nur zu diesem Untersuchungszeitpunkt so groß, nach 3, 6 und 9 Monaten ist der Unterschied geringer. Eingeschlossen wurden in diese Studie Patienten, bei denen neben einer AMD mindestens zwei von drei für die Blutflusseigenschaften relevanten Plasmabestandteilen (Cholesterin, Fibrinogen, IgA) einen festgelegten Wert im oberen Normbereich überschritten.

Eine abschließende Beurteilung der MIRA-1 Studie ist zurzeit noch nicht möglich. Zum einen muss der Langzeitverlauf aller 150 Patienten beobachtet werden. Des Weiteren ist nicht auszuschließen, dass ein möglicher positiver Effekt der Rheopherese auf die AMD bei Patienten mit einer anderen Konstellation der genannten Plasmabestandteile ausbleibt. Schließlich ist zu bedenken, dass das Hauptzielkriterium der Studie, nämlich die Veränderung der gemittelten Sehschärfe, nach Ansicht vieler AMD-Experten nicht die entscheidende Aussagekraft besitzt. Weitaus interessanter wäre nämlich die Frage, wie hoch der Anteil der Augen ist, die sich im Langzeitverlauf von einer frühen (d.h. Drusen und Pigmentirregularitäten) zu einer fortgeschrittenen Form der AMD (d.h. choroidale Neovaskularisationen oder geographische Atrophie) entwickeln. Der Anteil dieser Patienten müsste zwischen behandelter Gruppe und Kontrollkollektiv verglichen werden. Es bleibt abzuwarten, ob diese Frage mit den Daten der Studie zu einem späteren Zeitpunkt beantwortet werden kann. Aus den genannten Gründen erscheint es derzeit als verfrüht, Patienten mit AMD die Rheopherese als Behandlung zu empfehlen.

Ein nicht zu unterschätzendes Problem sind auch die Kosten. Derzeit wird die Rheopherese mit den Kosten einer Einzelbehandlung von ca. 1.500 € angeboten und eine initiale Behandlungshäufigkeit von 8 Einzelbehandlungen (d.h. einer Gesamtsumme von 12.000 €) vorgeschlagen. Man muss auch davon ausgehen, dass im weiteren Verlauf zusätzliche Behandlungen notwendig werden. Zu rechnen ist mit weiteren 4 Behandlungen pro Jahr. Beim derzeitigen Stand des Wissens ist eine solche Kostenbelastung weder dem einzelnen Patienten noch den allgemeinen Kostenträgern zuzumuten. Der Arbeitskreis Klinische Fragen wird die weitere Entwicklung sehr sorgfältig beobachten und sofort darüber berichten, wenn sich die Datenlage und damit auch die Grundlagen für eine Empfehlung ändern sollten. Berücksichtigt wird dabei auch die Haltung der relevanten nationalen und internationalen Fachgremien, die sich bisher noch nicht geäußert haben.

Auch im Jahr 2021 gibt es keine neuen Daten, die die Wirksamkeit der Rheopherese bei AMD belegen.

U. Kellner, K. Rüther für den Arbeitskreis Klinische Fragen des Wissenschaftlich-Medizinischen Beirats der PRO RETINA Deutschland e.V.

Literatur:

  • Brunner R., Widder R.A., Walter P., Luke C., Godehardt E., Bartz-Schmidt K.U., Heimann K., Borberg H. (2000): Influence of membrane differential filtration on the natural course of age-related macular degeneration: a randomized trial. Retina 20(5):483-91
  • Pulido J.S.: Multicenter Investigation of Rheopheresis for AMD (MIRA-1) Study Group (2003) Multicenter prospective, randomized, double-masked, placebo-controlled study of Rheopheresis to treat nonexudative age-related macular degeneration: interim analysis. Trans Am Ophthalmol Soc100:85-106; discussion 106-7.