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Politische Partizipation auf Bundesebene

Seminarreihe – Teil 1

Porträtaufnahme einer Frau mit Brille und blondem schulterlangen Haar, die Ohrstecker und eine Halskette trägt und mit einem roséfarbenem Jackett bekleidet ist.
Christiane Möller, Rechtsreferentin des DBSV (Deutscher Blinden- und Sehbehindertenverband); Quelle: DBSV/Ziebe

16. April 2020, online

Referentin: Christiane Möller, Rechtsreferentin des DBSV (Deutscher Blinden- und Sehbehindertenverband)

Mit der Seminarreihe „Politische Partizipation“ wollen wir alle PRO RETINA Mitglieder ermutigen, sich zu engagieren und ihre Belange ins öffentliche Leben einzubringen.

Im Teil 1 erklärte Christiane Möller, wie politische Interessenvertretung auf Bundesebene funktioniert. „Gemäß dem Motto „Nichts über uns ohne uns!“ müssen Menschen mit Behinderung überall beteiligt werden, also auch bei der Gesetzgebung“, lautete ihre Einleitung zum Thema. Die langjährige Rechtsreferentin des DBSV (Deutscher Blinden- und Sehbehindertenverband) gab den Teilnehmenden einen sehr persönlichen Einblick in ihren Arbeitsalltag und berichtete darüber, wie man auf Gesetze Einfluss nehmen kann.

Zunächst stellt sich die Frage, welche Themen auf die Bundesebene gehören. Wer beispielsweise etwas bzgl. der Bushaltestelle vor seiner Haustüre erreichen möchte, kann sich an seine Kommune wenden. Die Bundesregierung ist hier der falsche Ansprechpartner. Einige Sachverhalte streifen auch Länder- UND Bundesebene. Manchmal ist gar nicht so leicht zu entscheiden, wer zuständig ist.

Beispiele für eindeutig übergeordnete, also dem Bund zugehörige, Themen sind „Teilhabe am Arbeitsleben“ oder „Barrierefreiheit“. Aktuell ist hier gerade das Barrierefreiheitsgesetz. Hier geht es um die Umsetzung der Barrierefreiheitsanforderungen für Produkte und Dienstleistungen der EU-Richtlinie in deutsches Recht. Ein weiteres bedeutendes Gesetz, das Teilhabestärkungsgesetz, ist ebenfalls auf dem Weg zur Verabschiedung. Vom Entwurf zum Gesetz ist es ein langwieriger Prozess.

Bereits bevor im Ministerium ein Referentenentwurf für ein Gesetz entsteht, können Selbsthilfeorganisationen Vorgespräche führen, um ihre Anliegen ins Gesetz einzubringen. Von Vorteil sind hier gute Kontakte zu Mitarbeitern auf Regierungsebene in den Ministerien. Manchmal gibt es im Vorfeld schon Beteiligungsprozesse mit Behindertenverbänden und den Bundesländern. Leider sind die Fristen für die Stellungnahmen der Verbände oftmals sehr kurz. Danach geht der Entwurf in den Bundestag zur 1. Lesung, der Diskussionsprozess läuft dabei immer im Hintergrund weiter. Auch in diesem Stadium ist es noch möglich, auf das Gesetz Einfluss zu nehmen. Ein Erfolg lässt allerdings oft jahrelang auf sich warten. Man muss hartnackig bleiben, gute Kontakte haben und sich mit Gleichgesinnten zusammenschließen.

Nur wenn alle Sehbehindertenverbände an einem Strang ziehen, steigen dadurch die Chancen, die eigenen Forderungen in Gesetze einzubringen. Noch besser wäre sogar sich mit allen Behindertenorganisationen zu verbünden, denn wenn man sich nicht einig ist, wird man gegeneinander ausgespielt. Wichtig ist außerdem eine gute Öffentlichkeitsarbeit, denn nur so erkennt die Gesellschaft, wo genau die Barrieren für Menschen mit Behinderungen liegen. Im Bundestag sitzen die Experten nicht immer in dem Ausschuss, in dem man sie vermuten würde. Deshalb sollte man möglichst vielen Bundestagsabgeordneten in verständlicher Sprache erklären, um was es geht, um die Reichweite für die Informationen zu erhöhen.

Das Fazit von Christiane Möller dazu lautete: „Im Alleingang kann man es nicht schaffen. Deshalb sollte jeder Verband seine Stärken ins Netzwerk einbringen.“

Porträtaufnahme einer Frau mit Brille und blondem schulterlangen Haar, die Ohrstecker und eine Halskette trägt und mit einem roséfarbenem Jackett bekleidet ist.

„Gemäß dem Motto „Nichts über uns ohne uns!“ müssen Menschen mit Behinderung überall beteiligt werden, also auch bei der Gesetzgebung.“

 

 

Christiane Möller, Rechtsreferentin des DBSV (Deutscher Blinden- und Sehbehindertenverband)

Nichts geht ohne Interessenvertretung

Zu den Interessenvertretern, die politische Entscheidungsträger beeinflussen, gehören neben Wirtschaftsunternehmen auch Non-Profit-Organisationen, Gewerkschaften, Sozialverbände und Religionsgemeinschaften. Weder die Mitglieder des Bundestags noch die Vertreter auf kommunaler Ebene oder in Gemeinderäten verfügen über ausreichendes Spezialwissen, um alle zu beratenden Fragen ohne Expertise von außen entscheiden zu können. Das führt zur Beteiligung externer Akteure. In einer parlamentarischen Demokratie werden die meisten Entscheidungen der Parlamente vor der Abstimmung in Ausschüssen vorbereitet. Gutachten von Sachverständigen und Stellungnahmen werden in Gesetzesvorhaben mit einbezogen.

Für viele Menschen ist der Begriff Lobbyismus ausschließlich negativ besetzt. Sie gehen davon aus, dass Politikerinnen und Politiker ausschließlich durch Beauftragte von Wirtschaftsunternehmen z. B. der Automobil- oder Rüstungsindustrie beeinflusst werden. Doch auch soziale Anliegen werden durch Lobbyisten in den politischen Entscheidungsprozess eingebracht.