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AAD 2012 - Netzhaut-Chip und Gentherapie

AAD 2012 - Netzhaut-Chip und Gentherapie

Netzhautchip und Gentherapie waren ein Thema bei der Pressekonferenz der AAD 2012, über das [Prof] [Dr] med. Peter Walter von der Universitäts-Augenklinik der RWTH Aachen sprach:

Was kommt schneller in der Patientenversorgung an?

Blinde Menschen wieder sehend machen - dieses Ziel verfolgen Augenärzte hartnäckig und mit immer größerem Erfolg. Doch nach wie vor gibt es Krankheiten, denen die Augenheilkunde bisher machtlos gegenüber steht. Das sind insbesondere Netzhauterkrankungen, und hier vor allem erblich bedingte Degenerationen wie beispielsweise die Retinitis Pigmentosa (RP) und fortschreitende Degenerationen wie besonders aggressive Formen der Altersabhängigen Makuladegeneration (AMD).

Für Schlagzeilen sorgen in jüngster Zeit immer wieder zwei Behandlungsprinzipien, deren Erforschung Hoffnungen weckt: Netzhaut-Implantate und die Gentherapie. Doch wie weit sind diese Ansätze tatsächlich gediehen? Wie schnell kommen sie in der allgemeinen Patientenversorgung an?

Erstes Netzhaut-Implantat mit CE-Zulassung

Seit kurzem gibt es in Europa das erste Netzhaut-Implantat mit einer CE-Zulassung: ARGUS II (Firma Second Sight, USA). Das Implantat mit 60 Elektroden wird auf der Netzhautoberfläche platziert (epiretinales Implantat). Elektrische Pulse aus diesen Elektroden stimulieren die Netzhaut. Das funktioniert ähnlich wie beim Herzschrittmacher oder bei einem Cochlea-Implantat, das tauben Menschen ein gewisses Hörvermögen zurückgeben kann. Die Energieübertragung funktioniert berührungslos über ein System von Spulen mittels elektromagnetischer Induktion. Auf dem gleichen Weg werden die Daten für die Elektroden übertragen. Sie kommen von einer kleinen Kamera, die in eine Spezialbrille integriert ist. Mit diesem System können blinde RP-Patienten ein gewisses Sehvermögen zurückgewinnen. Sie nehmen Objekte wahr und erkennen sie; bei den am erfolgreichsten versorgten Patienten wurde ein Visus in einer Größenordnung von etwa 0,01 festgestellt.

<h2<Subretinales Implantat: Klinische Studien laufen weiter</h2>

Objekte wahrnehmen, sich im Raum orientieren - solche Erfolge lassen sich auch mit dem unter der Netzhaut platzierten Implantat (subretinales Implantat) der Firma Retina Implant AG erreichen, das aus einem Forschungsprojekt der Universitäts-Augenklinik Tübingen hervorging. Herzstück des Implantats ist ein 3x3 Millimeter großer Mikrochip mit 1500 Pixelfeldern mit Photozellen, Verstärkerschaltungen und Stimulationselektroden. Dieses Implantat nutzt direkt das ins Auge fallende Licht, es ist also keine externe Kamera notwendig. Auch hier erfolgt die Energieversorgung durch eine unter die Haut implantierte Spule. Dieses System hat noch keine Zulassung; aktuell wird es in einer klinischen Studie weiter getestet.

Die Sehwahrnehmungen, die sich mit diesen Implantaten erzielen lassen, sind von Patient zu Patient sehr unterschiedlich. Patientenberichte belegen aber den großen Nutzen, den sie von dieser Behandlung haben: Im alltäglichen Leben werden sie selbständiger und aktiver.

Aktuell laufen erste Verhandlungen mit gesetzlichen Krankenkassen, damit sie die Kosten für ein solches System, die gegenwärtig pro Patient zwischen 70.000 und 100.000 Euro liegen, im Rahmen extrabudgetärer Maßnahmen übernehmen. Damit stehen Netzhaut-Implantate in Deutschland unmittelbar an der Schwelle, Bestandteil der allgemeinen Patientenversorgung zu werden.

25 klinische Studien zur Gentherapie bei Augenkrankheiten

In etwa 25 klinischen Studien werden aktuell gentherapeutische Methoden zur Behandlung von Augenkrankheiten getestet. Das Auge eignet sich besonders gut, um diese Methoden zu testen. Denn zum einen sind einige verberbbare Netzhautkrankheiten bekannt, bei denen nur eines oder nur wenige defekte Gene für die Erblindung verantwortlich sind, zum Beispiel die Lebersche Kongenitale Amaurose, von der in Deutschland nach Angaben der Patientenorganisation PRO RETINA Deutschland e. V. schätzungsweise 2000 Menschen betroffen sind. Zum anderen sind Augen - anders als andere Organe - vom Rest des Körpers recht gut abgeschlossen. So ist es wenig wahrscheinlich, dass Mittel, die ins Auge gegeben werden, auch in andere Regionen des Körpers eindringen. Schließlich kann man in Studien, bei denen nur ein Auge behandelt wird, das zweite, unbehandelte Auge für Kontrolluntersuchungen nutzen.

Netzhautzellen mit Kopien des gesunden Gens "transduzieren"

Ein gentherapeutisches Behandlungsprinzip besteht darin, dass bei Vorliegen eines Gendefektes Kopien des gesunden Gens in die betroffenen Zellen eingeführt werden, das ist die korrektive Gentherapie. Als Transportmittel dienen so genannte Vektoren. Dafür werden in den meisten Fällen Viren modifiziert. Die meisten Erfahrungen hat man bisher mit dem adenoassoziierten Virus, mit dem sich Netzhautzellen sehr wirksam "transduzieren" lassen. Bei einigen Patienten mit angeborener Leberscher Amaurose ist die Einschleusung gesunder Kopien des Gens RPE 65 bereits gelungen, ihre Sehfunktion wurde wieder besser. Diese Behandlungsmöglichkeit scheint vor allem für junge Patienten vielversprechend, bei denen besonders gute Behandlungserfolge möglich sind. Allerdings sind von den Krankheiten, die mit einer solchen Gentherapie behandelt werden können, vergleichsweise wenige Menschen betroffen. Für sie kann diese Form der Gentherapie - die noch nicht allgemein zugelassen ist - in der Zukunft ein Segen sein. Für häufigere Augenkrankheiten wie das Glaukom (Grüner Star) oder die Altersabhängige Makuladegeneration (AMD), an deren Krankheitsprozess viele verschiedene Gene und weitere Risikofaktoren beteiligt sind, bietet die korrektive Gentherapie jedoch keinen Lösungsansatz.

Wirkstoffproduktion im Auge

Es gibt aber noch ein zweites Prinzip, das gentherapeutische Forscher aktuell verfolgen: Sie wollen mittels "additiver" Gentherapie Zellen im Auge dazu bringen, therapeutisch wirksame Proteine zu produzieren. Dafür wird das entsprechende Gen in die Zellen eingeschleust. Die Zellen werden so zu unbegrenzt wirksamen Produzenten von Stoffen, die beispielsweise das Gefäßwachstum hemmen oder die Nervenzellen schützen. Solche Behandlungsansätze könnten beispielsweise für die Behandlung der feuchten AMD eine große Rolle spielen. Die feuchte AMD kann aktuell mit der wiederholten Gabe von Medikamenten, die das Gefäßwachstum bremsen, wirksam behandelt werden. Diese Spritzen müssen in den ersten drei Monaten alle vier Wochen, später je nach Krankheitsverlauf, wiederholt werden. Gelänge es, den benötigten Wirkstoff im Auge selbst zu produzieren, ließe sich die Belastung für die Patienten erheblich senken.

Fazit

Beide Bereiche - sowohl die Entwicklung von Netzhaut-Chips als auch die Gentherapie - belegen die große innovative Kraft der augenmedizinischen Forschung, gerade auch in Deutschland. Netzhaut-Implantate sind nach jahrzehntelanger intensiver Forschung inzwischen so weit entwickelt, dass mit den Krankenkassen über die extrabudgetäre Bezahlung ihres Einsatzes verhandelt wird. Die Entwicklung wird jedoch noch weiter gehen. Auch bei gentherapeutischen Ansätzen sind erste Erfolge zu verzeichnen, wenn auch eine Zulassung entsprechender Behandlungen noch nicht absehbar ist.

In beiden Bereichen finden sich eindrucksvolle Beispiele dafür, wie sinnvoll es ist, an Augenkliniken "translationale Forschung" zu betreiben, also die Grundlagenforschung ganz eng an die mögliche Anwendung in der Klinik zu koppeln.

Quelle: AAD-Kongress