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Achromatopsie: neuer gentherapeutischer Ansatz

Neue Ansätze zur Therapie genetisch bedingter Blindheit

Die Achromatopsie ist eine erblich bedingte und bislang unheilbare Augenkrankheit. Die Betroffenen nehmen Farben nicht wahr (vollständige Farbenblindheit): sie besitzen von Geburt an keine funktionsfähigen Zapfen (eine der 2 Arten von Lichtrezeptoren in der Netzhaut) und können daher nur Graustufen unterscheiden, haben eine geringe Sehschärfe und leiden unter erhöhter Lichtempfindlichkeit sowie Augenzittern (Nystagmus). Im Laufe ihres Lebens kommt es zu einer fortschreitenden Degeneration der Netzhaut.

Einem Forscherteam um den LMU-Pharmakologen Professor Martin Biel und Professor Mathias Seeliger vom Universitätsklinikum Tübingen ist es im Tiermodell (Maus) erstmals gelungen, die Sehfähigkeit bei Achromatopsie wiederherzustellen. Das schwere Augenleiden beruht auf einem genetischen Defekt, der letztlich zu einem Ausfall der Zapfen führt. "Noch können wir nicht beurteilen, ob entsprechende Behandlungsansätze langfristig auch beim Menschen erfolgreich sein werden", sagt Biel. "Unsere Ergebnisse haben jedoch ohne Zweifel großes Potential für die Behandlung genetischer Formen der Blindheit beim Menschen." (Molecular Therapy online, 13. Juli 2010)

Neue Ionenkanäle in Maus-Netzhaut

Die Krankheit wird in der überwiegenden Mehrheit der Fälle durch Mutationen im CNGA3-Gen oder CNGB3-Gen ausgelöst. Die genetischen Veränderungen führen zum Defekt eines Ionenkanals (porenbildende Transmembranproteine, die elektrisch geladenen Teilchen, Ionen, das Durchqueren von Biomembranen ermöglichen; wichtig unter anderem für die Erregungsleitung in Nerven), der für die Funktion der Zapfen von essentieller Bedeutung ist. Nun ist es dem Forscherteam um Professor Biel und Professor Seeliger gelungen, diesen fehlenden Ionenkanal in den Zapfen der Netzhaut im Tiermodell für Achromatopsie auszuprägen. Mit Erfolg: Die Mäuse erlangten ihre Sehfähigkeit wieder.

Neue Möglichkeiten für die Zukunft

Ebenfalls beteiligt war die Arbeitsgruppe von Dr. Tim Gollisch, Max-Planck-Institut für Neurobiologie in Martinsried bei München. Mit Hilfe von Viruspartikeln wurden korrekte Kopien in die mutierten Genabschnitte eingeschleust. "In unserem Tiermodell fehlte der Ionenkanal CNGA3", berichtet Biel. "Unsere Arbeitsgruppe in München hat spezifische virale Vektoren entwickelt. Mit diesen wurden die Mäuse mit dem CNGA3-Defekt dann in Tübingen behandelt." Erstmals konnte auf diesem Weg mit CNGA3 ein großer Membran-Protein-Komplex in den Zapfen der Netzhaut exprimiert werden. In funktionellen Studien konnten die Forscher zudem zeigen, dass die Lichtrezeptoren der therapierten Tiere wieder auf Lichtreize reagieren und diese Information an nachgeschaltete Zellen des Sehsystems weitergeben. "Diese Photorezeptoren waren von Geburt an funktionslos", sagt Biel. "Es hat uns sehr gefreut, dass sie dank unserer Therapie zum ersten Mal normal auf Licht reagierten und damit den Tieren das Sehen ermöglichten." Doch die Behandlung zeigte einen weiteren positiven Effekt: Das Absterben der Zapfen und die Degeneration der Netzhaut wurden deutlich verlangsamt. "Dieser Aspekt ist für uns natürlich von besonderer Bedeutung", ergänzt Seeliger. "Unsere Ergebnisse lassen hoffen, derartige Gentherapieansätze in Zukunft einem eine Möglichkeit zur Vorbeugung und Behandlung genetischer Blindheit sein werden."

Dafür spricht auch, dass das in München entwickelte Mausmodell bereits in einer weiteren erfolgreichen Kooperation mit dem Team um Dr. Botond Roska vom Friedrich-Mischer-Institut in Basel eingesetzt wurde (Gen aus Salzbakterien gegen Erblindung, Newsletter vom 27.06.10).

Professor Mathias Seeliger ist Mitglied des Arbeitskreises Klinische Fragen (AKF) der PRO RETINA. Sobald es Neues zu diesem hochinteressanten und erfolgsversprechenden Forschungsvorhaben gibt, werden wir Sie darüber informieren.

Quelle: Pressemitteilung LMU München