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Annehmen, Aushalten, Begegnen und Grenzen wahren!

Ein Erfahrungsbericht von Inge Kreb-Kiwitt

Annehmen, Aushalten, Begegnen und Grenzen wahren, so habe ich als Angehörige einer Betroffenen Tante mit einer Augenerkrankung die erste Zeit nach der Diagnosestellung erlebt. Innerhalb ihrer Familie geschah plötzlich ganz viel! Alle hatten gute Ideen, kauften sogar schon kleinere Hilfsmittel als doch so „praktisches Geschenk“ zum Geburtstag.

Ich erlebte meine Tante, die immer mit beiden Beinen im Leben stand und immer sagte was ihr wichtig war plötzlich in einer sehr unsicheren Lebenssituation. Die guten Ratschläge von vielen Seiten, das Abnehmen von Verantwortung und Alltagsdingen veränderten sie. Das machte mich nachdenklich und betroffen.

Bei einem meiner Besuche sagte ich ihr, was ich wahrnahm und wir kamen ins Gespräch. Sie erzählte mir davon, wie der Arzt ihr mitteilte, dass sie ihre Sehfähigkeit immer mehr verlieren würde und dass man da nichts machen könnte. Ohne weitere Erklärung, ohne Trost und Informationen an wen sie sich wenden konnte, wurde sie nach Hause geschickt. Sie sagte: „Das war wie ein Schock und machte mich im wahrsten Sinne des Wortes sprachlos“!

Für Angehörige ist es schwer auszuhalten, dass Menschen die wir lieben Fähigkeiten und Ressourcen verlieren und manchmal hilft es uns, wenn wir aktiv werden können um uns von den Gefühlen der Hilflosigkeit und Ohnmacht abzulenken. Aber dadurch verlieren wir aus dem Auge, was der Betroffene, in diesem Fall meine Tante eigentlich braucht. 

Ich konnte den guten Kontakt zu der Familie meiner Tante nutzen und wir setzten uns zusammen, um noch einmal „von vorne“ anzufangen. Dieser Austausch gab allen Beteiligten die Möglichkeit persönliche Standpunkte und Befindlichkeiten zu äußern. Ängste, Sorgen, Verunsicherungen und Fragen fanden einen würdigen Rahmen und ich erlebte eine für meine Tante sehr schöne und liebenswerte Begegnung mit den Menschen, die sie jetzt an ihrer Seite brauchte. Und genau das konnte sie jetzt sagen: „Ich brauche Euch, um mein Leben so selbstständig wie möglich gestalten zu können“.

Sie besprach mit den handelnden Familienmitgliedern welche Schritte sie zuerst gehen wollte. Sie wollte eine Lesehilfe um Ihre „Apotheken Umschau“ weiter lesen zu können, Hörbücher wollte sie noch nicht nutzen. Ein Hilfsmittelberater stellte ihr unterschiedliche Materialien vor und sie war erstaunt, welche praktischen Hilfen es für den Haushalt gab. Langfristig konnte sie sich auch eine Anpassung der Wohnsituation vorstellen.

In den nächsten Jahren gelang es meiner Tante immer wieder auf den fortschreitenden Sehverlust einzugehen, sich weitere Unterstützung zu holen und ihr Leben selbstbestimmt zu führen.

Dies ist nur eine von vielen persönlichen Erfahrungen, die meinen beruflichen Werdegang begleitet haben und dazu geführt haben, dass ich heute bei der EUTB® Beratungsstelle der PRO RETINA Deutschland e. V. tätig bin.

Eine wichtige Grundhaltung unserer Arbeit ist: „Wir beraten – Sie entscheiden!“ Genau so soll es sein!