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Atypisches Usher-Syndrom: bisher unbekannte Erbkrankheit nachgewiesen

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Forscher bestätigen Ursache für zunächst unklare Symptome

Erst die Erbkrankheit vorausgesagt - jetzt die Patienten entdeckt

Forscher haben erstmals Patienten mit einer bisher unbekannten Erbkrankheit diagnostiziert. Das Besondere: Vorhergesagt hatten sie die Existenz der Erkrankung, die unter anderem zu Sehverlust und Schwerhörigkeit führt, zunächst lediglich durch Genomanalysen und Tierversuche (Pressemitteilung Universität Bielefeld, 11.6. 2012). Tatsächlich Betroffene haben sie erst jetzt und damit Jahre später gefunden. Für die Patienten könnten sich dank der Diagnose nun neue Therapiemöglichkeiten eröffnen.

Die Entschlüsselung des menschlichen Genoms macht es möglich: Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler können heute potenzielle Erbkrankheiten entdecken, zu denen noch kein Patient bekannt ist. Eine solche Krankheit ist „MPS III-E“, nach ihrem Entdecker Thomas Dierks von der Universität Bielefeld ursprünglich auch „Dierks‘sche Krankheit“ genannt. Der Mediziner hatte bereits 2012 ein Kandidaten-Gen entdeckt, das die Produktion des Enzyms Arylsulfatase G stört – ein Protein, welches für den Abbau des Kohlenhydrats Heparansulfat zuständig ist.

Defekt führt zu Schwerhörigkeit und Sehverlust

Experimente mit Mäusen zeigten, dass sich dieses Kohlenhydrat durch den Gendefekt in den "Recyclinganlagen" der Zellen, den Lysosomen, anreichert. Zudem kommt auch der Abbau anderer Stoffe wie Fette und Proteine zum Erliegen. Durch diese Vermüllung dehnt sich das Lysosom nach und nach aus und zerstört die Zelle – die Tiere entwickelten dadurch unter anderem eine zunehmend schlechte Sehfähigkeit sowie eine Innenohr-Schwerhörigkeit.

Jetzt haben die Wissenschaftler die bisher unbekannte Erbkrankheit erstmals bei fünf Patienten aus drei unterschiedlichen israelischen Familien nachgewiesen. Die Betroffenen litten an den gleichen Symptomen wie die Nager aus den Tierversuchen in Bielefeld, die Ursache für ihre Beschwerden war jedoch lange Zeit unklar. Als Dierks und seine Kollegen auf die Patienten aufmerksam wurden, analysierten sie deren Erbgut. Und tatsächlich: Sie alle hatten den besagten Gendefekt.

Symptome zeigen sich erst spät

Um sicherzugehen, dass das mutierte Gen der Betroffenen auch tatsächlich zu dem Enzymdefekt führt, untersuchte das Team von Dierks das Patienten-Gen in einer Zellkultur. Das Ergebnis: "Das Enzym war tatsächlich stark beschädigt. Es kann das Heparansulfat nicht aufspalten", berichtet der Forscher.

Überraschend dabei: "Die Symptome zeigten sich bei den betroffenen Personen erst im Alter von 40 Jahren. Anhand unserer Untersuchungen mit den Mäusen hatten wir angenommen, dass sie viel früher – vielleicht nach zehn Jahren – auftreten", sagt Dierks. Den späten Ausbruch der Krankheit erklärt er damit, dass große Teile des Heparansulfat-Moleküls auch ohne das Enzym Arylsulfatase G abgebaut werden können. "So braucht es mehr Zeit, um sich anzureichern."

Ungeklärte Usher-Syndrom-Fälle: Neue Wege für eine Therapie?

Für die Patienten steht damit nun endlich die Ursache ihrer Symptome fest – und das öffnet neue Wege für eine mögliche Therapie. So könnte den Wissenschaftlern zufolge zum Beispiel über eine Enzym-Ersatz-Behandlung nachgedacht werden. "Das benötigte Enzym ließe sich mit Hilfe von Zellkulturen biotechnologisch herstellen", erklärt Dierks.

Für die Therapie wird das Enzym intravenös gespritzt, verteilt sich über den Blutkreislauf im Körper und sollte in den Geweben das Heparansulfat abbauen. "Allerdings ist das Gehirn für das Enzym schwer zu erreichen. Außerdem müsste die Krankheit bereits vor Auftreten der Symptome über Gentests diagnostiziert werden, damit die Therapie vor der Ausbildung irreparabler Schäden begonnen werden kann."

Nachdem jetzt bekannt ist, zu welchen Symptomen die Erbkrankheit bei Menschen führt, geht Dierks davon aus, dass der Gendefekt bei weiteren Personen diagnostiziert wird. "Weitere Patienten dürften sich vor allem unter den ungeklärten Fällen mit dem sogenannten Usher-Syndrom finden lassen – so wird ein kombinierter Seh- und Hörverlust bezeichnet", schließt der Forscher.

An der Studie waren neben der Universität Bielefeld beteiligt: das Hadassah-Hebrew University Medical Center in Jerusalem (Israel), die Universität Lausanne (Schweiz), die Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, Institute of Technology Technion in Haifa (Israel) und die University of Leicester (Großbritannien).

Originalveröffentlichung: Genetics in Medicine vom 4.1.2018

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Quellen: scinexx.de vom 9.1.2018, uni.aktuell der Universität Bielefeld vom 5.1.2018