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Ein mentales Auf und Ab
Ein Erfahrungsbericht von Matthias Koopmann
Was tut man, wenn man weiß, dass die Partnerin an einer Augenerkrankung leidet, die früher oder später zur Erblindung führt? Anfänglich dachten wir, dass es das Beste wäre, alles über diese Erkrankung zu erfahren. Wir nutzten alle uns zur Verfügung stehenden Quellen und waren irgendwann auf einem so hohen Wissensstand, dass sogar unser Augenarzt davon profitieren konnte. Zudem mussten viele Behördengänge erledigt und Anträge ausgefüllt werden, was uns Zeit und Nerven raubte – aber wer kennt das nicht?
Die Zeit ging dahin und die Krankheit schritt fort. Regelmäßig besuchten wir die Augenklinik, um eine Spritzenbehandlung und die anschließende Kontrolluntersuchung durchführen zu lassen – ein mentales Auf und Ab, da der Befund mal besser, mal schlechter ausfiel. Und immer blieb eine Frage unbeantwortet: „Wann kommt der finale Schub?”
Die organisatorischen Veränderungen spielten sich nach und nach ein: Arztbesuche, Einkäufe und sonstige Fahrdienste wurden geregelt. Irgendwann, ich kann nicht genau sagen wann, fühlte ich mich leer, kraftlos und ausgebrannt. Ich war äußerst leicht reizbar und damals nicht in der Lage, meiner Frau zu helfen, zuzuhören oder Trost zu spenden. Emotional war ich ein Wrack und oft mit der Situation überfordert. Manchmal wusste ich nicht, wie es weitergehen sollte und blickte immer häufiger in eine recht düstere Zukunft.
Ich hatte keine Erwartungen an das PRO RETINA Partnerseminar. Wenn ich ehrlich bin, war ich zu dieser Zeit, was Gefühle angeht, eine „harte Nuss”. Auch meine berufliche Tätigkeit im Rettungsdienst hatte mich in dieser Hinsicht stark abstumpfen lassen. Zu meiner Überraschung hat mir dieses Wochenende dann aber so gut gefallen, dass ich noch heute gern daran zurückdenke. Ich beschreibe es als Neustart meiner Gefühle und Sichtweisen. Das Seminar, die Themen, die dort angesprochen wurden, und der intensive Austausch mit anderen Angehörigen gab meinen Gefühlen wieder eine gewisse Struktur. Alles zusammen half mir, meine Partnerin und auch mich besser zu verstehen. Es ist unglaublich, wie viel sich verändert hat, seitdem ich mir meiner Gefühle bewusst bin. Daher kann ich Paaren oder anderen Angehörigen von Betroffenen den Besuch eines solchen Seminars nur wärmstens empfehlen. Zur Entlastung aller finde ich es zudem wichtig, dass jeder Betroffene und auch die Angehörigen von Betroffenen, neben der Familie noch in weitere soziale Netzwerke wie Vereine eingebunden sind.
Als Paar wägen wir inzwischen viel genauer ab, wer oder was uns guttut. Es sind weniger die großen Ziele, sondern eher die kleinen Freuden im Alltag, die das Leben für uns lebenswert machen. Unser Motto ist es, ein selbstbestimmtes, glückliches Leben zu führen. Verbitterung und schlechte Laune lassen wir bei den anderen. So oft es geht genießen wir den Moment, sei es ein Ausflug mit dem Rad, ein leckeres Essen oder ein gutes Gespräch mit netten Menschen.
Für uns gilt heute: „Wir bestimmen unser Leben mit der Erkrankung – und nicht die Erkrankung bestimmt unser Leben!” Und wir schauen inzwischen bewusst auf all das, was trotz Erkrankung noch geht.