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Forschungskolloquium in Potsdam: Teil 4

PRO RETINA-Forschungskolloquium in Potsdam: Bericht über die 4. Sitzung

Die letzte Sitzung unter dem Vorsitz von Prof. Marius Ueffing (Tübingen) stellte therapeutische Ansätze für Netzhautdegenerationen in den Mittelpunkt.

Prof. William Hauswirth (Gainesville, Florida) berichtete über eine international vielbeachtete klinische Studie zur Gentherapie der durch RPE65-Mutationen verursachten Leber’schen kongenitalen Amaurose (LCA). Trotz eines eigentlich nur auf die Ermittlung der Therapiesicherheit ausgelegten Studiendesigns konnte er bereits auch über ermutigende funktionelle Ergebnisse berichten. Hier wurde unter die Netzhaut (subretinal) ein Vektor-Plasmid (kleine ringförmige autonome Erbsubstanz, die mehrere Gene enthalten kann und als Transportvehikel benutzt wird) bei drei Patienten mit LCA appliziert. Bei allen drei Patienten konnte eine signifikante Verbesserung der Lichtsensitivität nachgewiesen werden. Eine Patientin entwickelte dabei eine so genannte Pseudofovea (Fovea =Stelle des schärfsten Sehens im Zentrum der Makula), einen Bereich auf der Netzhaut, mit dem sie nun Licht fixiert, das sie vor gentherapeutischer Intervention nicht sehen konnte. Diese Pseudofovea bildete sich im Areal der Vektor-Plasmid-Applikation aus.

Subretinale und epiretinale Netzhautprothesen

Die Fortschritte bei der von der Tübinger Forschergruppe entwickelten subretinalen elektronischen Prothese stellte Prof. Eberhart Zrenner (Tübingen) vor: Drei – mit dem Retinachip implantierte Patienten – wurden Buchstaben entweder durch Stimulation retinaler Zellen über individuelle Elektroden oder durch Darbietung von Buchstaben und Streifenmustern über einen Bildschirm präsentiert. Mittels Retinachip konnten so erstmals relativ kleine Buchstaben (8 cm Höhe in 62 cm Abstand) erkannt werden. Die Ergebnisse zeigen, dass subretinale Multi-Elektroden für die Wiederherstellung visueller Wahrnehmung bei erblindeten Patienten geeignet sein können.

Über die Ergebnisse zur Sicherheit und Verträglichkeit epiretinaler Prothesen berichtet Prof. Peter Walter (Aachen), die ebenfalls bereits bei Menschen mit fortgeschrittenen Netzhautdegenerationen implantiert worden sind. Nächster Schritt soll hier die Steigerung der Anzahl der Stimulationselektroden darstellen.

Prof. Frank Holz (Bonn) zeigte, basierend auf neuen pathophysiologischen Erkenntnissen, mögliche Ansätze zur Therapie der geographischen Atrophie als atrophische Spätmanifestationsform der Altersabhängigen Makuladegeneration (AMD) auf. Hierzu zählen unter anderem Modulatoren des Sehzyklus, die die Ansammlung toxischer Folgeprodukte reduzieren sollen. Auch andere Ansätze finden sich zum Teil schon in klinischer Erprobung. Grundlage für die Wirksamkeitsbeurteilung bilden neue Bildanalyseverfahren („Region Finder“) für digitale  „Scanning-Laser-Ophthalmolskop-Autofluoreszenzaufnahmen“, mit denen morphologische Endpunktparameter akkurat quantifizierbar geworden sind. Ein Durchbruch in der Therapie der geographischen Atrophie hätte auch potentiell Relevanz für andere Netzhautdegenerationen mit dem neuronalen Zelltod als gemeinsame pathogenetische Endstrecke.

Swingin’ Poster Session

Ein Highlight des jährlich stattfindenden Internationalen PRO RETINA-Forschungskolloquiums ist die so genannte Swingin’ Poster Session. Das von Franz Badura entwickelte Konzept beinhaltet ein Zusammenspiel aus wissenschaftlichen Posterpräsentationen und musikalischem Erlebnis − hier greift Franz Badura auch selbst in bereits bekannter höchster Professionalität zur Trompete.

Im Rahmen dieser Sitzung wurden drei Posterpräsentation prämiert: Johanna Mühlhans (Erlangen-Nürnberg) mit einer Arbeit zu Pericentrin, einem Protein, dem eine zentrale Bedeutung bei der Organisation der Mikrotubuli während Meiose (Reife- bzw. Reduktionsteilung) und Mitose (Zellkernteilung) beigemessen wird. Mikrotubuli sind röhrenförmige Proteinstrukturen und mitverantwortlich u.a. für die mechanische Stabilisierung von Zellen und ihrer äußeren Form, sowie für Transporte innerhalb der Zelle. Hier konnte gezeigt werden, dass Pericentrin bei den ziliären Transportvorgängen in Photorezeptoren möglicherweise eine wesentliche Bedeutung hat. Somit könnte die Erforschung der Pericentrinfunktion, insbesondere unterschiedlicher Isoformen, neue Erkenntnisse bei Erkrankungen liefern, die in Zusammenhang mit ziliärer Dysfunktion stehen.

Nasrin Sorusch (Institut für Zoologie, Universität Mainz) wurde ausgezeichnet für ihre Arbeit zu Interaktionen von USH-Proteinen, deren Mutation zum Usher Syndrom, der Kombination aus Innenohr-Defekten und Netzhautdegeneration, führt. Hier konnten neue Komponenten des USH-Proteinnetzwerkes identifiziert werden, die – bedingt durch ihre Funktion – die direkte molekulare Verbindung zwischen USH und anderen Zilipathien liefern. Dr. Christian Brinkmann (Bonn) erhielt die Auszeichnung für eine Arbeit, die im GRADE-Reading-Center Bonn entstanden ist, zu den Gründen von so genannten Screening Failures, einer 51 internationale Studienzentren umfassenden Studie zur geographischen Atrophie bei AMD. Diese Arbeit verdeutlicht die Wichtigkeit einer akkuraten Identifikation der Studienpopulation, damit ein präziser Vergleich zwischen Kontroll- und Behandlungsgruppe bei interventionellen AMD-Studien vollzogen werden kann (als interventionell bezeichnet man gezielte Eingriffe am erkrankten Gewebe, um den Krankheitsverlauf positiv zu beeinflussen)

Fazit

Den Organisatoren des Meetings, Franz Badura, Prof. Klaus Rüther, Prof. Olaf Strauß und Prof. Bernhard Weber, ist es erneut gelungen, erfolgreich den Ideenaustausch zwischen Grundlagen- und klinischen Forschern mit einer in Europa einmaligen Tagung zu befördern, die auch gerade für den wissenschaftlichen Nachwuchs ein hochattraktives Forum darstellt.

Dies war der 4. und letzte Teil des Potsdam-Berichtes 2010. Verfasst wurde er von den teilnehmenden Wissenschaftlern Dr. Monika Fleckenstein, Dr. Florian Alten, Prof. Frank Holz (alle Univ.-Augenklinik Bonn) und Dr. Peter Charbel Issa (Oxford), veröffentlicht in der Fachzeitschrift „Der Augenspiegel“.

Einen weiteren Bericht des Kolloquiums hat Frau Denise Emmerich geschrieben. Darin fasst sie ihre persönlichen Eindrücke und Erkenntnisse sehr anschaulich und fachlich verständlich zusammen über die für sie interessantesten Punkte. Interessierte Leser können ihren Bericht von dieser PRO RETINA-Seite laden.