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Die Atrophia gyrata (Engl. Gyrate atrophy) ist eine sehr seltene erblich bedingte Netzhaut-Aderhauterkrankung. Durch die genetische Veränderung ist der Stoffwechsel gestört: Die Aminosäure Ornithin wird nicht oder nur in sehr eingeschränktem Umfang abgebaut, sammelt sich im Plasma an und schädigt das Gewebe.

Die Krankheit beginnt in der Regel in den ersten beiden Lebensjahrzehnten. Sie führt zu einer Einschränkung des Gesichtsfelds und im weiteren Krankheitsverlauf zum Verlust der Sehschärfe. Häufig ist eine vorzeitige Entwicklung eines Grauen Stars (Katarakt). Bei der Atrophia gyrata kann eine Laboruntersuchung schneller zu einer Sicherung der Diagnose führen als eine molekulargenetische Untersuchung.
Die Atrophia gyrata ist eine von drei Netzhaut-Aderhauterkrankungen, bei denen eine entsprechende Diät den Krankheitsverlauf positiv beeinflussen kann.

Was ist eine generalisierte Netzhaut-Aderhautdystrophie?

Engl.: generalized inherited retinal dystrophies

Der Begriff „Generalisierte Netzhaut-Aderhautdystrophien“ bezeichnet eine Gruppe erblicher Netzhauterkrankungen. Ursache für diese Erkrankungen sind Veränderungen der Gene. Die Gemeinsamkeit besteht darin, dass die gesamte Netzhaut betroffen ist. Die Erkrankung kann in der Netzhautmitte beginnen oder im Randbereich der Netzhaut. Beginnt sie in der Mitte der Netzhaut, macht sie sich frühzeitig bemerkbar.

Zu den möglichen Symptomen gehört, dass Betroffene nicht mehr scharf sehen können. Sie haben Probleme beim Lesen oder dem Erkennen von Gesichtern. Ihr Gesichtsfeld ist eingeschränkt. Sie sind lichtempfindlicher, können in der Dunkelheit schlechter sehen und sich schlecht an wechselnde Lichtverhältnisse anpassen. Außerdem haben sie Schwierigkeiten, Farben zu unterscheiden.

Der Verlauf und die Ausprägung der Krankheit sind individuell sehr unterschiedlich. Um die Symptome zu lindern, können Betroffene eine Brille tragen, Kantenfilter nutzen, also spezielle Filtergläser, oder elektronische Hilfsmittel.

Symptome

Erste Symptome der Atrophia gyrata machen sich in der Regel bis zum 20sten Lebensjahr bemerkbar. Die Hauptsymptome ähneln denen der Retinitis pigmentosa oder Chorioideremie. Zu den frühen Symptomen gehören:

  • Ausfälle des Gesichtsfeldes; diese beginnen im mittleren Randbereich (ringförmige Skotome); durch die Gesichtsfeldausfälle neigen die Betroffenen dazu, leicht zu stolpern oder anzustoßen.
  • Probleme, in der Dunkelheit zu sehen (Nachtsehstörungen),
  • eine erhöhte Lichtempfindlichkeit,
  • zunehmende Schwierigkeiten, sich an verändernde Lichtverhältnisse anzupassen,
  • eine starke Kurzsichtigkeit ist häufig sowie
  • eine frühzeitige Eintrübung der Augenlinse.

Im Verlauf der Krankheit weiten sich die Gesichtsfeldausfälle nach außen und innen aus bis hin zu einem „Röhrengesichtsfeld“. Dabei sieht der Betroffene nur die Gegenstände, die er direkt anschaut. Die Netzhautmitte bleibt oft lange Zeit von dieser Entwicklung ausgespart. Infolgedessen können Betroffene über lange Zeit Gegenstände in der Mitte des Gesichtsfelds normal sehen.

Erst im Spätstadium der Erkrankung ist die Stelle der Netzhaut betroffen, mit der man am schärfsten sehen kann, die Fovea. Ist dies der Fall, ist auch die Sehschärfe (Visus) eingeschränkt.

Bei manchen Krankheitsverläufen ist die Sehschärfe schon vorher beeinträchtigt. Das ist der Fall, wenn sich Flüssigkeit in den inneren Netzhautschichten ansammelt, konkret in der Makula. Man spricht dann von einem zystoiden Makulaödem. Ebenfalls erst im Spätstadium können Betroffene Farben nur noch eingeschränkt sehen.

Die Krankheit schreitet kontinuierlich fort. Dabei ist das Fortschreiten individuell unterschiedlich stark. Ohne Therapie führt Atrophia gyrata in der Regel im fünften Lebensjahrzehnt zur Erblindung.

Diagnose

Ein Arzt in weißem Kittel erklärt einer Frau auf einem Computer ein Bild ihres Augenhintergunds
Diagnosebesprechung beim Augenarzt

Treten die oben genannten Sehprobleme auf, sollten Sie Ihre Augen zeitnah von einem Augenarzt untersuchen lassen. Denn diese Symptome können sich auch bei verschiedenen anderen, erblichen und nicht erblichen Erkrankungen zeigen und eine rasche Behandlung erfordern.

Untersuchungen und Befunde

Ursache

Die Atrophia gyrata ist eine sehr seltene erbliche bedingte Netzhaut-Aderhautdystrophie. Ursache für die Erkrankung sind Veränderungen (Varianten) im OAT-Gen. Dadurch kommt es zu Störungen im Ornithinstoffwechsel und einem Mangel des Enzyms Ornithinaminotransferase. Die Folge: Die Aminosäure Ornithin wird nicht oder nur in sehr eingeschränktem Umfang abgebaut. Das Ornithin sammelt sich im Plasma an, schädigt das Gewebe und führt unter anderem auch zur Ausbildung der Netzhaut-Aderhautdystrophie.

Es gibt Veränderungen der Netzhaut-Aderhaut, die Ähnlichkeit mit einer Atrophia gyrata besitzen, allerdings eine andere genetische Ursache haben. Daher ist es wichtig, die Erkrankungen genetisch voneinander abzugrenzen.

Die Atrophia gyrata wird autosomal rezessiv vererbt.

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Wenn Sie eine erblich bedingte Netzhauterkrankung haben, können Sie sich in das Patientenregister von PRO RETINA eintragen lassen. Dann erfahren Sie von klinischen Studien, an denen Sie teilnehmen können und tragen dazu bei, Netzhauterkrankungen näher zu erforschen und Therapien zu entwickeln.

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Therapie

Atrophia gyrata gehört zu den wenigen Formen von Netzhauterkrankungen, die durch eine Therapie beeinflusst werden können. Ziel ist es, den Krankheitsverlauf zu stabilisieren.

Die am besten untersuchte Behandlungsmethode besteht in einer eiweiß- oder Arginin-armen Diät. Diese Diät kann den Ornithinspiegel senken. Dadurch wird das Fortschreiten der Erkrankung beeinflusst. Bei einem Teil der Betroffenen konnte die Einnahme von Vitamin B6 den Ornithinspiegel senken. Bei beiden Therapien wurde bei wenigen Patienten im Langzeitverlauf eine Stabilisierung beobachtet.

Weitere Therapien bestehen in der Einnahme von Lysin oder anderen Substanzen. Diese Therapien wurden bisher aber nur in kleinen Gruppen untersucht.

Da die Krankheit selten ist und Langzeitbeobachtungen fehlen, ist es schwierig, die Therapien zu beurteilen. Die wenigen Patienten wurden teilweise mit mehreren Therapien gleichzeitig behandelt. Daher ist nicht zu bestimmen, welche Therapie am vorteilhaftesten ist. Hinzu kommt, dass die Diät nicht einfach umzusetzen ist. Daher brechen Patienten die Therapie oft ab. Auf jeden Fall sollten Sie eine Diätberatung in Anspruch nehmen, wenn bei Ihnen eine Atrophia gyrata diagnostiziert wurde.

Entwickelt sich bei Betroffenen vorzeitig eine Katarakt (Grauer Star), sollte eine Operation vorgenommen werde. Kommt es zu einem zystoiden Makulaödem, kann dieses medikamentös behandelt werden.

Folgende Maßnahmen sind unabhängig von der genetischen Ursache bei generalisierten Netzhaut-Aderhaut-Erkrankungen sinnvoll:

Bei Kindern bis zum sechsten Lebensjahr: Tragen einer Brille, um Sehschwächen entgegenzuwirken und Schwachsichtigkeit (Amblyopie) zu vermeiden. Das ist auch bei geringer Sehschärfe sinnvoll.

Bei allen Betroffenen:

  • Tragen einer Brille.
  • Kantenfilter (spezielle Filtergläser): Sie können Kontraste und damit die Sehqualität verbessern. Allerdings sollten sie nur nach einem Test verordnet werden und wenn sie bei dem Betroffenen subjektiv zu mehr Sehqualität beitragen.
  • Elektronische Hilfsmittel zur Vergrößerung und Anpassung von Kontrasten: zum Beispiel Tablet-Computer, spezielle Hilfsmittel für Schule, Ausbildung und Beruf.
  • Gegebenenfalls Schutzmaßnahmen (Mütze, Lichtschutzbrille) bei Lichtempfindlichkeit (Photophobie).
  • halbjährliche Kontrollen.
  • gegebenenfalls Frühfördermaßnahmen.
  • gegebenenfalls Behandlung von Begleiterkrankungen (Katarakt, Makulaödem, choroidale Neovaskularisation).
Laptop, auf dem PRO RETINA-Seite geöffnet ist. Daneben liegen Kopfhörer.
Digitalisierung ©PRO RETINA

Infomaterial zur Atrophia gyrata

In unseren Broschüren und Flyern, Videovorträgen und Podcasts finden Sie weitere Informationen und Berichte zur Erkrankung Atrophia gyrata.

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Aktuelles aus Forschung und Therapie zur Atrophia gyrata

Alle Krankheitsbeschreibungen wurden gemeinsam mit Medizinerinnen und Medizinern geschrieben. Diese Informationen von PRO RETINA ersetzen jedoch keine individuelle medizinische Beratung. Lassen Sie sich daher zu Ihren individuellen Möglichkeiten für die Diagnosestellung und Therapie von Ihren behandelnden Ärztinnen und Ärzten beraten – Augenärzten, Humangenetikern sowie gegebenenfalls weiteren Fachärzten insbesondere, wenn außer den Augen auch Organe betroffen sind, wie dies bei Syndromen der Fall ist. Ihre behandelnden Ärztinnen und Ärzte können Sie auch darüber informieren, welche neuen Erkenntnisse es zu Möglichkeiten der Diagnostik und Therapie gibt.