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Mein Leben mit dem Bardet-Biedl-Syndrom

Ich heiße M., bin 25 Jahre alt, weiblich und lebe im Sauerland. Manchmal fühle ich mich mit meiner Erkrankung sehr allein. Lange dachte ich sogar, ich sei die Einzige, die mit dem Bardet-Biedl-Syndrom (BBS) lebt. Mittlerweile habe ich aber gelernt, mein „Päckchen“ anzunehmen.

Als Kind wurde ich wegen meiner dicken Brillengläser in der Schule oft gehänselt. Damals wusste ich noch gar nicht, warum meine Augen so schlecht waren. Mit 20 Jahren bekam ich schließlich die Diagnose BBS. Neun Augenärzte in Köln stellten damals gemeinsam fest, was ich habe. Diese Nachricht hat mich zunächst komplett umgehauen. Die ersten zwei Jahre nach der Diagnose war ich völlig überfordert und psychisch am Ende.

Meine gesundheitlichen Einschränkungen machten es nötig, meine Arbeit in der Tagespflege für Senioren aufzugeben. Ich musste in eine psychosomatische Tagesklinik gehen. Später ging es mir so schlecht, dass ich sogar in einer geschlossenen Klinik behandelt wurde. Als ich nach drei Tagen wieder entlassen wurde, fühlte ich mich wie ein neuer Mensch.

Schule, Kindheit und Besonderheiten

Ich war im Kindergarten für Kinder mit geistiger Behinderung und habe später eine Förderschule besucht. Bis zu meinem 5. Lebensjahr war ich taub. Erst eine Operation schenkte mir das Hören. Durch die lange Zeit mit einer Sprachstörung hatte ich eine verzögerte Sprachentwicklung und Probleme in der Motorik. Laufen und Krabbeln lernte ich sehr spät.

Ich habe sehr viele Therapien gemacht – Sprachtherapie, Ergotherapie und motorische Förderung. Diese haben mir sehr geholfen, selbstständiger zu werden und gut mit mir klarzukommen. Über zwölf Jahre lang ging ich zur Sprachtherapie, wo ich das Sprechen lernte und mich Stück für Stück verbesserte.

Ein schönes Erlebnis in meiner Schulzeit war, dass ich mit 15 Jahren erstmals Verantwortung übernehmen durfte: Ich durfte Kinder aus der ersten Klasse unterstützen. Sie waren körperlich und geistig stark eingeschränkt, aber mir wurde die Aufgabe trotzdem zugetraut – und ich habe sie gerne übernommen. Das hat mir sehr viel Selbstvertrauen gegeben.

Bei Klassenausflügen bekam ich oft besondere Unterstützung. Meine Lehrerin wusste, dass ich sehr schlechte Augen hatte – ich selbst wusste es damals noch nicht. Deshalb sollte ich immer dicht bei ihr bleiben. Für mich ergab das oft keinen Sinn, denn äußerlich sah man mir kaum etwas an – außer Übergewicht und dicken Brillengläsern. Aber niemand kann hineinschauen und sehen, was wirklich anders ist.

Meine Organe liegen zum Beispiel nicht dort, wo sie normalerweise liegen: Mein Herz ist rechts, die Leber liegt auf dem Magen, und meine Milz befindet sich links neben den Nieren. Beide Nieren sind betroffen, eine arbeitet schwächer als die andere. Insgesamt habe ich sechs Symptome des Bardet-Biedl-Syndroms. Außerdem kann ich nicht alles riechen – viele Gerüche nehme ich gar nicht wahr.

Beruflicher Weg

Ich habe 18 Monate lang in der Tagespflege für Senioren gearbeitet, was mir großen Spaß gemacht hat. Doch als sich meine Augen verschlechterten und gleichzeitig meine psychische Belastung stieg, musste ich aufhören. Danach war ich zwei Jahre lang in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung. Dort fühlte ich mich jedoch nicht wohl – ich habe ständig Praktika gemacht, weil ich etwas anderes ausprobieren wollte.

Schließlich kam der Vorschlag, ein Praktikum im Elisabeth-Heim zu machen. Das hat mir sehr gefallen, und ich bin jetzt dort als „geliehene Angestellte“ über die Werkstatt tätig. Wenn alles gut läuft, werde ich dort im nächsten Jahr fest übernommen.

Therapie gegen Hyperphagie

Seit dem 01.07.2023 mache ich eine spezielle Therapie gegen ein Symptom des BBS: die Hyperphagie (einen unstillbaren Hunger).

Die positiven Effekte sind für mich deutlich: In den ersten drei Monaten habe ich etwa 9 kg abgenommen, mein Stoffwechsel hat sich verändert, und ich habe viel weniger Bauchkrämpfe. Ich fühle mich insgesamt wohler.

Die Umstellung war aber nicht einfach. Anfangs hatte ich starke Nebenwirkungen: Übelkeit, Erbrechen und große Schwäche. Ich wollte die Therapie fast abbrechen. Zum Glück wurde die Dosis langsamer gesteigert, sodass es besser wurde. Heute bin ich froh, dass ich durchgehalten habe. Ich habe gelernt, mir selbst die Spritze zu geben – die Krankenschwester der AKB hat mir das mit viel Geduld gezeigt, und darauf bin ich sehr stolz.

Unterstützung und Alltag

Im Alltag unterstützen mich zwei Personen, die ich zweimal pro Woche sehe. Außerdem mache ich Reha-Sport und Mobilitätstraining, damit ich im Alltag selbstständiger bin. Ich besuche auch eine Blindenschule, um mich sicherer zu fühlen.

Meine Familie geht vorsichtig mit meiner Erkrankung um. Sie lassen mich das machen, was sie mir zutrauen. Aber manches wollen sie mir nicht so recht glauben – dann versuche ich ihnen zu zeigen, dass ich es doch kann. In meiner Familie gibt es noch weitere Betroffene, aber ich weiß nicht genau, welche Symptome sie haben.

Blick nach vorn

Heute gehe ich wieder arbeiten, versuche meine Arztbesuche selbstständig zu schaffen und bekomme bei Bedarf Unterstützung vom Förderkreis oder vom Verein Pro Retina. Meine Erfahrungen mit Kliniken, der Werkstatt und verschiedenen Therapien waren nicht immer einfach, aber sie haben mich stärker gemacht.

Ich habe gelernt, dass man auch mit dem Bardet-Biedl-Syndrom seinen Platz im Leben finden kann. Es gibt viele Grenzen, aber auch viele Möglichkeiten – wenn man dranbleibt und an sich glaubt.