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Neue Netzhautgendefekte entdeckt

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Hilfe durch Diät bei angeborener Netzhauterkrankung?

Bei Menschen mit angeborenen Störungen der Photorezeptoren des Auges beginnt der Verlust des Sehvermögens oft schon im Kindesalter. Die Identifizierung der verantwortlichen Gene dafür könnte neue Behandlungsperspektiven eröffnen. Das zeigen jetzt die Ergebnisse aktueller Forschungsarbeiten, die von der Stiftung Auge unterstützt wurden. Die Forscher untersuchten unter anderem Patienten mit Verdacht auf das Usher-Syndrom, einer Kombination aus Seh- und Hörstörung. Der identifizierte Gendefekt ergab jedoch, dass es sich nicht um das Usher -Syndrom handelte, sondern um ein neues, klinisch ähnliches Syndrom handelt – bei dem eine einfache Diät vermutlich helfen kann.

Photorezeptoren in der Netzhaut der Augen wandeln Licht in Nervensignale um. Funktionieren sie aufgrund von Fehlern im Erbgut nicht richtig, kann das den Sehsinn schädigen. Forscher haben bereits mehr als 250 Gene mit ursächlichen Störungen im Erbgut lokalisiert. Viele betreffen nicht nur das Auge, sondern auch andere Organe: Menschen mit „Usher-Syndrom“ etwa sind oft schon bei der Geburt taub. Je nach Art des Gendefekts kommt es bereits im Kindes- oder Jugendalter zu teils massiven Seheinschränkungen. Etwa jedes zehnte Kind mit einer angeborenen Hörstörung entwickelt später eine solche zusätzliche Netzhautdegeneration.

Usher-Syndrom-ähnliche Erkrankung

Forscher um Professor Hanno Bolz vom Institut für Humangenetik in Köln haben kürzlich eine bisher unbekannte Mutation im sogenannten PEX6-Gen gefunden. Diese Genveränderung verursacht eine Erkrankung, die einem Usher-Syndrom stark ähnelt, bei der es aber neben der Seh- und Hörstörung auch zu Zahnschmelzdefekten kommt. Das Gen PEX6 ist bereits vom „Refsum-Syndrom“ bekannt – eine der wenigen angeborenen Erkrankungen des Auges, für die es therapeutische Ansätze gibt. Wenn die Betroffenen Nahrungsmittel, die in hohem Maße Phytansäuren enthalten, meiden, scheint das die Symptome lindern zu können. Der Abbau dieser Fettsäure ist durch den Gendefekt beeinträchtigt; sie lagert sich daher in den Zellen ab und schädigt sie. Ein therapeutischer Plasmaaustausch kann zusätzlich den Phytansäurespiegel im Blut senken, wenn diätische Maßnahmen nicht greifen.

Unterscheidung durch frühe genetische Diagnose

„Da die Symptome von Patienten mit PEX6-Mutationen denen eines Usher-Syndroms stark ähneln können, sollte an diese seltene Differentialdiagnose gedacht werden – insbesondere, weil hier im Gegensatz zum Usher-Syndrom therapeutische Optionen bestehen“, so Bolz. Dabei sei die frühe genetische Diagnosestellung wichtig, um die fortschreitende Erkrankung möglichst früh aufhalten zu können. „Bei Menschen mit Verdacht auf Usher-Syndrom, die bei dieser Diagnose sonst nicht zu erwartende zusätzliche Symptome, wie Zahnschmelzdefekte und/oder Entwicklungsverzögerung aufweisen, sollte in Absprache mit ihrem Arzt eine entsprechende Diagnostik mittels Phytansäurebestimmung im Blut und ein Gentest veranlasst werden“, empfiehlt Bolz. Die Ergebnisse ihrer Forschung haben Bolz und sein Team gerade in der Fachzeitschrift „Human Mutation“ veröffentlicht.

Zwei weitere Gendefekte entdeckt

Die Kölner Humangenetiker haben noch zwei weitere Gendefekte und damit verbundene Syndrome entdeckt, die zu den sogenannten Ziliopathien zählen. Zilien gehören zu den elementar wichtigen Zellorganellen und spielen eine entscheidende Rolle bei zahlreichen Signalwegen. Am Aufbau von Zilien sind zahlreiche Proteine und damit Gene beteiligt, was die klinische und v.a. genetische Heterogenität der durch Ziliendysfunktionen hervorgerufenen Erkrankungen erklärt. Entdeckt wurden von den Forschern zum einen einen neuen Typ des Joubert-Syndroms durch Mutationen im KIAA0586-Gen, einer angeborenen Entwicklungsstörung des Kleinhirns, die mit Netzhautdegeneration einhergehen kann. Zum anderen eine Retinadystrophie, die mit Kleinwüchsigkeit und Fettleibigkeit einhergeht und auf C21orf2-Mutationen beruht. Diese beiden Arbeiten wurden in "ELife" und dem "British Journal of Ophthalmology" publiziert.

Professor Frank Holz vom Uniklinikum Bonn, Vorsitzender der Stiftung Auge, äußert sich zuversichtlich angesichts der neuen Erkenntnisse: „Die Identifikation genetischer Ursachen bei Netzhauterkrankungen ist eine zentrale Voraussetzung für die Entwicklung neuer Therapien, die zukünftig Erblindung verhindern sollen.“

Quellen: bolz lab, Institut für Humangenetik der Uni Köln,

Abstracts der drei publizierten Studien:

1. Zaki MS et al.: PEX6 is Expressed in Photoreceptor Cilia and Mutated in Deafblindness with Enamel Dysplasia and Microcephaly. Human Mutation

2. Stephen LA et al.. TALPID3 controls centrosome and cell polarity and the human ortholog KIAA0586 is mutated in Joubert syndrome (JBTS23). Elife. 2015

3. Khan AO et al. C21orf2 is mutated in recessive early-onset retinal dystrophy with macular staphyloma and encodes a protein that localises to the photoreceptor primary cilium. Br J Ophthalmol. 2015