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Photorezeptoren aus Hautzellen machen blinde RP-Mäuse lichtempfindlich

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RP-Grundlagenforschung: Photorezeptor-ähnliche Zellen durch chemische Umprogrammierung

Photorezeptoren aus Hautzellen machen blinde RP-Mäuse lichtempfindlich

Mit 5 Chemikalien können Fibroblasten (spezifische Zellen des Bindegewebes) aus einer Hautbiopsie im Labor in wenigen Tagen in Stäbchenzellen verwandelt werden, die nach einer Implantation unter die Netzhaut von blinden Mäusen zu einer, wenn auch auf Lichtreize beschränkten, Wahrnehmungsfähigkeit verholfen haben. Die vor kurzem im Fachmagazin Nature vorgestellten Ergebnisse könnten langfristig zu einer therapeutischen Perspektive für Menschen mit Retinitis pigmentosa (RP) und anderen degenerativen Erkrankungen der Netzhaut werden.

Erkrankungen der Netzhaut gehören zu den möglichen Einsatzgebieten der Stammzelltherapie, weil die veränderten Zellen relativ leicht in den subretinalen Raum injiziert werden können. Der Aufbau der Netzhaut ist zudem relativ klar und die neuronale Verschaltung einfach. Stammzellen können sich deshalb leicht in das Netzwerk integrieren und die Funktion von Zellen ersetzen, die aufgrund von Gendefekten frühzeitig im Verlauf des Lebens absterben. Im Gegensatz zu vielen anderen Zellen und Geweben unseres Körpers können sich die lichtempfindlichen Photorezeptoren der Netzhaut (Stäbchen und Zapfen) nicht regenerieren, sie wachsen nicht von allein wieder nach. Um Betroffenen dennoch eine Sehfähigkeit wiederzugeben, müsste man die Stäbchen und Zapfen daher durch technische oder organische Sinneszellen ersetzen.

Direkte Umwandlung von Fibroblasten

Schon vor einiger Zeit ist es gelungen, Fibroblasten aus Hautbiopsien im Labor in induzierte pluripotente Stammzellen zu verwandeln und aus diesen Stäbchenzellen zu züchten. Diese Gewinnung von Ersatz-Netzhautzellen aus Stammzellen ist jedoch extrem zeitaufwändig und kompliziert, die Ausbeute gering. Der gesamte Prozess der Reprogrammierung kann sechs Monate dauern, bis man die gewünschten Zellen für eine Transplantation in die Netzhaut erhält. „Das macht diese Methoden zu einer Herausforderung für den praktischen Einsatz in der klinischen Therapie“, erklären Biraj Mahato von der University of North Texas und seine Kollegen. Die Forschung arbeitet deshalb daran, diesen Weg zu vereinfachen und die Produktionszeiten zu verkürzen. Einem Team um Sai Chavala vom North Texas Eye Research Institute in Fort Worth könnte hier ein wichtiger Fortschritt gelungen sein.

Die Forscher hatten bereits ein Verfahren entwickelt, mit dem sich innerhalb kurzer Zeit Fibroblasten in Stäbchen-ähnliche Lichtsinneszellen umwandeln lassen. Die ganze Prozedur von der Biopsie bis zur Bereitstellung einer genügenden Zahl von Zellen für eine Transplantation soll nur etwa 10 Tage gedauert haben. Die direkte Umwandlung gelang den Forschern sowohl mit Fibroblastenzellen von Mäusen als auch mit menschlichen Bindegewebszellen, wie sie berichten.

Pupillenreflex bei Lichtreiz

Die Zellen wurden dann Mäusen in den subretinalen Raum injiziert, die aufgrund einer bestimmten RP-Genmutation erblindet waren. Bei 6 von 14 Tieren konnte nach der Behandlung durch einen Lichtreiz eine Pupillenverengung ausgelöst werden. Diese Reaktion ist auf lichtempfindliche Zellen in der Netzhaut angewiesen.

Bei den Tieren kam es auch zu einer Veränderung des Verhaltens. Die lichtscheuen Mäuse suchten nach der Behandlung häufiger dunkle Ecken im Käfig auf. Für Chavala ist dies ein Zeichen dafür, dass die Behandlung nicht nur einen unbewussten Reflex wieder hergestellt hat. Die Signale müssten über den Sehnerven die Sehrinde der Tiere erreicht haben, um ihr Verhalten zu beeinflussen.

Noch viel Forschung notwendig

3 Monate nach der Therapie konnten die Forscher mittels Immunfluoreszenz nachweisen, dass die transplantierten Zellen in der Netzhaut der 6 Mäuse überlebt und synaptische Verbindungen zu Neuronen hergestellt hatten. Allerdings ist die Erfolgsquote bei der Transplantation noch zu gering und auch die Dichte der angewachsenen Zellen reicht nicht aus, um eine gute Sehfähigkeit wiederherzustellen – bisher können die Mäuse nur hell und dunkle unterscheiden. Bis dieses oder ein ähnliches Verfahren auch beim Menschen eingesetzt werden kann, dürfte daher noch einige Zeit vergehen. Dennoch sehen die Wissenschaftler in ihrem Ansatz eine vielversprechende Methode, um zerstörte Photorezeptoren künftig einmal ersetzen zu können. „Wichtig ist auch, dass wir herausgefunden haben, wie diese direkte Umprogrammierung auf zellulärer Ebene abläuft“, erklärt Swaroop. „Diese Erkenntnisse könnten dabei helfen, nicht nur Ersatzzellen für die Netzhaut, sondern auch viele andere Zelltypen zu erzeugen.“

Quellen: aerzteblatt.de vom 18.05.2020; Abstract der Studie in Nature 2020; wissenschaft.de; Pressemitteilung des National Eye Institutes NEI.