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Das Bild zeigt zwei Kinder vor einem Bildschirm. Auf dem Bildschirm sind bunt eingefärbte, stark vergrößerte Zellen mit Zilien zu sehen.
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Das Bild zeigt unseren Seminarraum. Im Vordergrund steht ein Tisch mit Infobroschüren der Pro Retina, dahinter Stuhlreihen mit den Seminarteilnehmern.
Das Bild zeigt unseren Seminarraum. Im Vordergrund steht ein Tisch mit Infobroschüren der Pro Retina, dahinter Stuhlreihen mit den Seminarteilnehmern.

BBS-Patientenseminar vom 23.-25.05.2025 in Mainz

 

Freitag: Pflegegrad und Schwerbehindertenausweis

 

Vom 23. bis 25.5.2025 fand das diesjährige BBS-Patientenseminar im Garner-Hotel in Mainz statt. Fast 80 Betroffene und Angehörige haben teilgenommen und die Gelegenheit zur Information und zum regen Austausch untereinander genutzt.

 

Begrüßung und Rückblick

Max Kerber und Bernarda Gillißen begrüßten die Anwesenden und gaben einen kurzen Rückblick über die Aktivitäten des Arbeitskreises (neben der Beratungstätigkeit), die sich teilweise aus den Ergebnissen und Wünschen des letzten Patientenseminars in Bonn ergeben haben:

 

- regelmäßiger internationaler Austausch mit den BBS-Gruppen anderer Länder

- Beteiligung an der Kampagne „Seltene Erkrankungen Bayern“ von E. Irlstorfer

- Teilnahme an der Cilia 2024 in Irland

- Erstellung eines Flyers „Was ist BBS?“ in leichter Sprache (kostenlos zu beziehen
  über die Homepage der Pro Retina)

- Erstellung und fortlaufende Aktualisierung einer Zentrenliste für die Diagnose und
   Behandlung von BBS (Veröffentlichung auf der Homepage)

 

Der erfolgreiche Weg zu einem Pflegegrad

Im ersten Vortrag informierte dann Frau Aßmann von der EUTB (Ergänzende unabhängige Teilhabe) über den „Erfolgreichen Weg zu einem Pflegegrad“ insbesondere aufgrund der Sehbeeinträchtigung. Sie gab Tipps von der formlosen Antragstellung bei der Pflegekasse bis zum Gutachten durch den medizinischen Dienst und zu den Vorteilen, die mit einem Pflegegrad verbunden sind.

Die Sozialverbände SovD und VdK stellen online ein Pflegetagebuch bzw. einen Punkterechner zur Verfügung, die zur Vorbereitung auf die Begutachtung durch den MdK sehr hilfreich sein können.

Im Gutachten werden 6 Lebensbereiche berücksichtigt (bis zum 11. Lebensjahr nur 4) und bzgl. der Selbstständigkeit bewertet, dabei jedoch prozentual unterschiedlich gewichtet. Diese sind: Mobilität, kognitive und kommunikative Fähigkeiten, Verhaltensweisen und psychische Problemlagen, Selbstversorgung, Bewältigung von krankheitsbedingten Anforderungen und Belastungen sowie Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte. Seit 2017 finden neben den körperlichen auch geistige und psychische Beeinträchtigungen Berücksichtigung.


Es wurden viele Beispiele aufgezeigt, bei denen durch die Sehbeeinträchtigung die Mobilität innerhalb und außerhalb der Wohnung sowie die selbstständige Haushaltsführung und Alltagsbewältigung erheblich eingeschränkt bzw. unmöglich sind und die bei der Begutachtung auf jeden Fall angeführt werden sollten.

Ab dem Pflegegrad 1 steht den Betroffenen Nachbarschaftshilfe in Höhe von monatlich 131,- € zu. Diese kann durch anerkannte Pflegedienste oder Privatpersonen erfolgen. In einigen Bundesländern ist dazu ein Zertifikat erforderlich, dass in (online-)Kursen erworben werden kann.

Bei Ablehnung sollte man Widerspruch einlegen oder bei Änderung der Verhältnisse einen Verschlechterungsantrag stellen. 

 

 

Der Schwerbehindertenausweis

Herr Dr. Michael Richter, Rechtsanwalt und Berater der RBM (Rechte behinderter Menschen) gab in seinem Vortrag Informationen rund um den Schwerbehindertenausweis mit dem Schwerpunkt Sehbeeinträchtigung.
Ausschlaggebend für die Beurteilung ist der korrigierte Visus auf dem besseren Auge und/oder das Gesichtsfeld. Einen Schwerbehindertenausweis, und damit steuerrechtliche Vorteile, erhält man ab einem GdB (Grad der Behinderung) von 50. Ab einem GdB von 30 kann im Arbeitsbereich ein Antrag auf Gleichstellung gestellt werden (betrifft z.B. den Kündigungsschutz oder spezielle Reha-Rechte). Ein Anspruch auf das Merkzeichen Bl (Blind) besteht ab einem Visus von 0,02, einem Gesichtsfeld bis zu 5 Grad oder einer Kombination von beidem. Als Standards in Befundberichten gilt der Sehtest mit den Landolt-Ringen sowie die Goldmann-Gesichtsfeldmessung.

Es wird empfohlen, Blindengeld gleichzeitig mit dem Schwerbehindertenausweis zu beantragen, da das Leistungsanrecht ab der Antragstellung beginnt.

Ein europäischer Schwerbehindertenausweis ist in Planung, existiert aber noch nicht.

Mit den Merkzeichen aG und Bl hat man das Recht auf einen Behindertenparkausweis. Zusätzlich kann ein Sonderparkplatz eingerichtet werden. Es besteht jedoch kein Anspruch darauf.

Auf der Website des dvbs (Deutscher Verein der Blinden und Sehbehinderten in Studium und Beruf e.V.) findet man den Praxisratgeber „Antrag auf…“ mit vielen weiteren Tipps und Informationen:

https://www.dvbs-online.de/index.php

 

Blickpunkt Auge – Rat und Hilfe bei Sehverlust ist ein qualitätsgesichertes Angebot des Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverbandes e. V. (DBSV) und seiner Landesorganisationen. Auch hier gibt es viele hilfreiche Informationen und Anlaufstellen.

https://blickpunkt-auge.de/ueber-uns.html

 

Abendprogramm

Nach diesen beiden sehr informativen Vorträgen konnten wir uns am reichhaltigen Abendbuffet stärken. Anschließend haben wir uns noch einmal in großer Runde zum Kennenlernen und Austauschen zusammengesetzt und den Abend danach gemütlich ausklingen lassen.

 

 

Samstag an der Uni Mainz

 

Den Samstag verbrachten wir auf Einladung von Frau Prof. Helen May-Simera in der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Es erwartete uns ein abwechslungsreiches, interessantes und bestens vorbereitetes Programm mit einer kurzen Einführung und zahlreichen Workshops:

 

Laborbesuch: Wie Forschen wir an BBS (AG Helen May Simera)

Dieser Workshop bot die Möglichkeit, das May-Simera-Labor zu besichtigen, einen Einblick in die Forschung und die verschiedenen Experimente zum Bardet-Biedl-Syndrom zu erhalten und Bilder von Zilien zu sehen. Außerdem konnte der Umgang mit verschiedenen Pipetten praktisch erprobt werden.

 

Niere: Was macht die Niere (Emilia Kieckhöfer)

Die Niere ist eines der wichtigsten Organe in unserem Körper! Aber was macht sie genau und was passiert wenn sie nicht richtig funktioniert? Diese Fragen sowie Einblicke in den Bereich der Nierenforschung wurden in 'Wer wird Cilionär: Das große Nieren Spezial' erarbeitet.

 

Auge: Augen Probleme in BBS besser verstehen (Laura Kühlewein)

Dieser Workshop bot drei Stationen, die sich mit unterschiedlichen Themen rund um das Sehen beschäftigten: das Auge und den Sehvorgang anhand eines Modells kennenlernen, erfahren, wie man Untersuchungsbefunde besser versteht und einen Überblick über hilfreiche Hilfsmittel und Apps für den Alltag erhalten.

 

Thema Sehen: Gaze Training, Sport für die Augen (Alexander Neugebauer)

In diesem Workshop konnte das GazeQuest-Training in der Virtuellen Realität getestet werden. GazeQuest ist ein sogenanntes Blickbewegungstraining, welches Patientinnen oder Patienten mit Gesichtsfeldausfall gezielt dabei hilft, Augenbewegungsmuster zu trainieren und somit das verbleibende Gesichtsfeld möglichst effektiv einzusetzen, um die visuellen Fähigkeiten im Alltag zu verbessern.

 

Unrare Me (Dagmar Wachten)

Austausch: Welche wissenschaftlichen Erkenntnissen können/sollen in die App?

Es wurde diskutiert, welche Informationen in der App dargestellt werden können und wie diese aufgearbeitet sein sollten.

Wie sollte ein Q&A (Fragen und Antworten) zwischen Patienten und Wissenschaftler*innen in der App aussehen?

Der Input aus der Patientengruppe soll mit Wissenschaftler*innen in der Forschungsgruppe umgesetzt werden.

 

Zusammenarbeit in der Erforschung von BBS (Timo Roßmann)

Es wurde kurz vorgestellt, was Zusammenarbeit in der Erforschung Seltener Erkrankungen konkret bedeutet – z. B. wenn Patient*innen, deren Interessensvertreter*innen und Wissenschaftler*innen in Austausch treten. Im Rahmen des Workshops wurde dann diskutiert, welche Formen der Zusammenarbeit in der BBS-Forschung relevant sind/sein sollten und wie diese in der Praxis umgesetzt werden können.    

 

Thema Anlaufstelle BBS (Metin Cetiner/Johannes Jäger)

Neben der Durchführung von Ultraschalluntersuchungen bot Metin Cetiner gemeinsam mit seinem Team einen Workshop an, in dem alle Fragen zu den klinischen Aspekten des Bardet-Biedl-Syndroms beantwortet wurden. Dieser Workshop bot die Gelegenheit, sich umfassend über medizinische Fragestellungen, Diagnose- und Therapiemöglichkeiten sowie den klinischen Verlauf des BBS zu informieren und individuelle Anliegen mit erfahrenen Fachleuten zu besprechen.

 

AKB Workshop: Treffsicher mit Tastsinn (AKB-Medservice)

Der Workshop richtete sich an blinde und sehbehinderte Menschen, die lernen möchten, eine subkutane Injektion selbstständig und sicher durchzuführen. Dabei ging es um mehr als Technik – es ging um Selbstbestimmung, Sicherheit und Vertrauen in den eigenen Körper.

 

Darüber hinaus gab es wieder die Möglichkeit für Betroffene, sich durch Ultraschall- und Zahnuntersuchungen sowie Blut- und Urinproben an der Forschung zu beteiligen.

 

Nach dem Abendessen im Hotel nutzten viele die Möglichkeit sich beim gemütlichen Beisammensein miteinander auszutauschen.

 

 

Sonntag: Hilfsmittel und Apps
 

Hilfsmittel im Alltag

Am Sonntagvormittag informierte Alexander Schiermeier vom Arbeitskreis Hilfsmittel der Pro Retina zunächst sehr ausführlich über allgemeine Alltagshilfsmittel. Dabei wird unterschieden zwischen Sehbehinderten- und blindengerechten Hilfsmitteln. Es ging um vergrößernde Sehhilfen, elektronische Hilfsmittel, Vorlesesoftware, Braillezeile, (taktile) Drucker und Punktschriftdrucker, aber auch Schreibschablonen, sprechende Haushalts- und medizinische Geräte sowie Hilfsmittel für den Hobbybereich, wie z.B. taktile Zollstöcke, sprechende Maßbänder, diverse Gesellschaftsspiele.  


Bezüglich der Lesbarkeit von Dokumenten wurde auf den Unterschied von barrierearm und barrierefrei hingewiesen. Barrierefreie Dokumente müssen lesbar und in einfacher Sprache sein, barrierearme dagegen „nur“ lesbar. Dazu gehört beispielsweise, dass ein Pdf-Dokument auch als solches abgespeichert wird und nicht als Grafik (beim Speichern über „Drucken“) und eine Bildbeschreibung in den „Alternativtext“ gehört (Dann wird sie vom Vorleseprogramm erkannt und vorgelesen).

 

Smartphone und nützliche Apps

Nach einer kurzen Pause widmete sich Herr Schiermeier dem Thema „Tipps und Tricks zur Nutzung von Android und iPhone". Nach einigen Hinweisen zur Handhabung von Smartphones und der Applewatch, auch mithilfe von Voiceover empfahl er hilfreiche und kostenfreie Apps:

 

Lazarillo-App:

Die Lazarillo-App ist eine Navigations-App für blinde oder sehbehinderte Personen mit Audioanweisungen. Sie verfügt über folgende Funktionalitäten:

- Kategoriensuche (Haltestellen, Banken, Restaurants…)

- Adressen suchen

- Favorisierte Orte speichern

- Routenführung

- Nachverfolgung

 

Seein-AI:

Die App „Seeing-AI“ kann Texte vorlesen (Achtung: alle Texte gehen durch das Internet – Vorsicht bei sensiblen Daten), sowie Geldscheine, Personen, Farben, Gegenstände und Helligkeit erkennen und beschreiben.

 

Be My Eyes:

Die App „Be My Eyes” verbindet blinde oder sehbehinderte Menschen, die Hilfe benötigen mit Freiwilligen und Unternehmen auf der ganzen Welt über Live-Video  und KI.

 

Auf folgende weitere Apps wurde kurz hingewiesen:

 

Greta-App:    Audiodeskription von Filmen (Kino und Fernsehen)

Ampelpilot: Erkennt Ampelfarben, wobei es Schwierigkeiten an großen
                      Ampelkreuzungen und bei Zwischenampeln an Verkehrsinseln geben

                      kann.  

LOC.id App: Ein hilfreiches Werkzeug für Menschen mit Sehbehinderung, um E-
                      Scooter zu erkenne und zu umgehen. Es beteiligen sich jedoch nicht alle
                      E-Scooter-Hersteller daran.

 

Abschlussrunde

Zur Abschlussrunde trafen sich noch einmal alle, zusammen mit den Kindern, die auch in diesem Jahr in der Kinderbetreuung viel Spaß hatten. Nach dem gemeinsamen Mittagessen machten wir uns wieder auf den Heimweg mit vielen neuen und/oder „aufgefrischten“ Eindrücken im Gepäck. Spätestens 2027 sehen wir uns wieder!