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Bernarda Gillißen und Manuel Rodriguez bei der Cilia 2022 in Köln
Bernarda Gillißen und Manuel Rodriguez bei der Cilia 2022 in Köln

Unsere Teilnahme an der Cilia 2022 in Köln

Vom 04.-07. Oktober hat die 5. europäische Zilien-Konferenz in Präsenz und digitaler Form stattgefunden. Nach London, Paris, Amsterdam und Kopenhagen war nun diesmal Köln der Austragungsort.

Da das Bardet-Biedl-Syndrom zu den Zilienerkrankungen zählt, wurden wir eingeladen am Patiententag der Cilia teilzunehmen. Also haben wir uns mit 2 Vertretern unseres Arbeitskreises auf den Weg gemacht. Wir – das sind Manuel Rodriguez BBS-Betroffener und Bernarda Gillißen, Mutter eines BBS-betroffenen Sohnes. Zu unserer Freude haben noch 2 Familien aus unserer Patientengruppe teilgenommen.

Da das Bardet-Biedl-Syndrom zu den Zilienerkrankungen zählt, wurden wir eingeladen am Patiententag der Cilia teilzunehmen. Also haben wir uns mit 2 Vertretern unseres Arbeitskreises auf den Weg gemacht. Wir – das sind Manuel Rodriguez BBS-Betroffener und Bernarda Gillißen, Mutter eines BBS-betroffenen Sohnes. Zu unserer Freude haben noch 2 Familien aus unserer Patientengruppe teilgenommen.

Am 04.10. startete dann der Patiententag im Dreikönigssaal und wir wurden sehr herzlich begrüßt. Wir waren überrascht, dass BBS-Patientengruppen aus Holland, England und USA vor Ort waren und so kamen wir schnell ins Gespräch. Wir saßen an einem Tisch mit BBS UK, die in England sehr aktiv und groß vernetzt sind.

Zuerst hielten mehrere Forscher, Wissenschaftler und Ärzte Vorträge, um uns mitzuteilen, woran sie gerade forschen und arbeiten.

Heymut Omran sprach generell über Zilien und welche Krankheiten durch Mutationen entstehen aber leider nicht erkannt werden und welche unterschiedlichen Mutationen in verschiedenen Ländern vorkommen.

Als nächstes hat uns Tess Harris berichtet, wie wichtig der Austausch zwischen Patienten, Ärzten und Forschern aus aller Welt ist. Sie ist als Vertreterin der Ciliopathy Alliance aufgetreten, welche sich für die Vernetzung untereinander einsetzt.

Dann hat sich Elisabeth Forsythe vorgestellt. Sie ist Genetikerin und ist spezialisiert auf BBS.

Anschließend kam Max Liebauer als Kinderarzt bzw. Nephrologe aus Köln zu Wort.

John Sayer vom Newcastle Krankenhaus (Nieren-Genetik-Klinik für Erwachsene) berichtete über seltene Nierenerkrankungen und betonte die gute staatliche Unterstützung in England.

Als 6. Sprecher hat uns Thomas Benzing von der Uniklinik Köln über neue Behandlungsansätze informiert und darüber, dass die Pharmaindustrie erkannt hat, wie groß die Nachfrage bei seltenen Erkrankungen mittlerweile ist. Die Zusammenarbeit zwischen internationalen Wissenschaftlern wird immer besser und das es inzwischen ein internationales Konsortium zwecks europäischer Zusammenarbeit gibt.

Als letzte Sprecherin hat uns Rachel Giles aus Amsterdam, die seit über 20 Jahren in der klinischen Nieren-Forschung tätig ist, über die Zusammenarbeit zwischen Forschern und Patienten informiert. Hier gibt es ein IKCC-Network, welches für eine weltweite Vernetzung steht und z.B. auch Patientenbefragungen durchführt.

Anschließend gab es noch Rückfragen von den Teilnehmern über den seit Jahren gleichen Stand der Forschung, bzw. keinen richtigen Durchbruch zur Heilung und einen Aufruf zu einem weltweiten Register.

Was uns nach einigen Stunden bereits sehr positiv aufgefallen ist, dass sich viele der anwesenden Forscher der Veranstaltung mit BBS befassen. Das freut uns natürlich sehr.

Nach dem Mittagessen ging es dann zu einem „World Cafe“. Hier haben wir an 8.ter-Tischen kunterbunt mit Patienten, Forschern, Ärzten und betroffenen Elternteilen zusammen- gesessen. An jedem Tisch wurde 1 unterschiedliche Frage gestellt und diese wurde am Tisch diskutiert:

●      Was würde Dir oder Deiner Familie am meisten helfen?

●      Was hätte Dein Leben in der Vergangenheit einfacher gemacht?

●      Was sind die Hauptprobleme mit denen Du Dich befasst?

●      Was siehst Du als Haupthindernis für die Zilienforschung?

Egal aus welchem Land jemand kommt, die Probleme und Wünsche sind überall die gleichen. Hier kam ein reger Austausch auf und leider waren die vorgegebenen 20 Minuten pro Tisch immer viel zu schnell vorbei. Es war ein tolles Konzept in lockerer Runde mit Forschern und Ärzten zu sprechen und man hat schnell gemerkt, dass auch diese an einem Austausch sehr interessiert waren.

Anschließend durften wir als Teilnehmer des Patiententages die offizielle Eröffnung im Maternussaal der Cilia 2022 durch Prof.Dr. Schermer der Uniklinik Köln verfolgen.

Das Ziel der Cilia ist es, eine enge Zusammenarbeit zwischen Patientengruppen und Forschern zu fördern. Einige Zahlen zur Veranstaltung:

●      400 Teilnehmer vor Ort aus Forschern und Klinikern

●      35 Patienten / Vertreter von Gruppen / Elternteile

●      Über 100 digitale Zuschauer

Anschließend hat auch hier nochmal Elisabeth Forsythe über BBS sehr ausführlich gesprochen. Sie berichtete über eine Studie „BBS und das Gehirn“, bei der beachtliche Ergebnisse festgestellt wurden. Sie hat uns Aufnahmen des Hippocampus (zuständig für Lernverhalten und Gedächtnis) gezeigt und welche Auswirkungen Sport hat. Hier haben Kinder 6 Monate mit einem Personaltrainer gearbeitet und es hat hier def. eine Verbesserung gegeben. Aber für genaue Statistiken benötigt man mehr Daten.

Dann hat Frau Forsythe über die allgemeinen Symptome bei BBS-Betroffenen gesprochen. Da BBS1 und BBS10 die häufigsten Mutationen aufweisen, sind auch nur hier Untersuchungen erfolgt. Dabei wurde festgestellt, dass die meisten schweren Nierenerkrankungen - wenn überhaupt - im frühen Alter auftreten und bei BBS1 die wenigsten Nierenfälle bekannt sind. Nur 7% haben ein gesundes Gewicht, bei BBS10 gibt es einen höheren Anstieg. Hier gibt es 3 verschiedene Strategien um diesen Zustand positiv zu beeinflussen: Ernährung, Medikamente und eine Kombination aus beidem. Die krankheitsspezifische Blindheit ist auch hier wieder durch unterschiedliche BBS-Gene geprägt. Eine Gen-Therapie ist für RPE65 inzwischen vorhanden. Wenn es eine Behandlung für BBS gibt, wird es wohl grundsätzlich für alle Ziliopathien eine Behandlung geben. Deswegen von ihr nochmal der Aufruf an alle Patienten, wie wichtig wir sind und wie wichtig es ist, dass jeder Einzelne sich in einem länderübergreifenden Register erfassen lässt.

John Sayer hat über die Wichtigkeit von Urinproben in der Forschung gesprochen und welch ein großes Potenzial in jeder Probe steckt. Eine Urinprobe wird auch Flüssig-Biopsie genannt und man kann hier in vielen Fällen eine normale Biopsie umgehen, die gerade für Kinder nicht angenehm ist.

Alice Serafin aus Frankreich befasst sich mit der Nephronophtise und berichtete, dass es keine Therapieform gibt und immer zwingend eine Dialyse erforderlich ist.

Mirco Hennig von ReCode – Therapeutics berichtete über die Ergebnisse und Behandlung von PCD-Patienten, bei denen man inzwischen in über 40 Genen Mutationen gefunden hat.

Phil Beales aus London gab uns einen Rückblick der BBS-Forschung in Hinsicht auf Zilien und Ziliopathien unter dem Motto „10 Jahre weiter“. In den 90er Jahren wurde die erste Blutbank für BBS eingerichtet, 2003 das BBS8 identifiziert und inzwischen ist man bei 45 Genen angelangt.

Die Wahrscheinlichkeit BBS in Europa zu bekommen liegt bei 1:100.000, im Nahen Osten bei 10:100.000.

Das erste Gen hat man zwar bereits 2000 entdeckt, allerdings keine weiteren Erkenntnisse daraus ziehen können. Erst durch Kontakte zu Patienten erfolgten weitere Entdeckungen, z.B.  dass im hinteren Auge Zilien vorhanden sind. Auch sind   Zilien für seitenverkehrte Organe verantwortlich, sowie dysfunktionelle Zilien auf viele Organe Auswirkungen haben (bis zu Krebserkrankungen) usw.

Anschließend berichtete Phil Beales über die neuere Geschichte der Zilien. Mittlerweile gibt es ein Kompendium zur Integration vielfältiger Datensätze der Ziliengene und zwar die CiliaCarta, die sich auch mit den Auswirkungen auf neurologische und kognitive Fähigkeiten befasst.

In England gibt es ein sehr gut aufgebautes Netz für BBS und zwar die BBS-UK. Bereits seit 11 Jahren gibt es 4 Krankenhäuser, die in regelmäßigen Abständen einen Patiententag abhalten, an dem die Patienten an einem einzigen Tag alle notwendigen Untersuchungen in einer Klinik absolvieren können. BBS UK hat für die Organisation einen Vertrag mit NHS England, um Patientenunterstützung und Klinikdienste bereitzustellen. Das würden wir uns für Deutschland auch wünschen.

Danach hat Phil Beales auch über Gentherapien gesprochen, die sogenannten Ex-Vivo und In-Vivo Verfahren und deren Behandlungsansätze für die Zukunft.

Dann war die Vorstellung mehrerer Patientengruppen zu verschiedenen Erkrankungen dran. Hier einige Beispiele:

●      Ciliopathy Alliance: Netzwerk-Vertretung von Patienten mit Ciliopathien. Diese besteht zurzeit aus 30 Organisationen und Einzelvertretern. Das Netzwerk ist z.B.  als Fürsprecher für Patienten, Unterstützung von Forschern durch Stipendien und Teilnahme an Veranstaltungen da.

●      PKD e.V. Deutschland – Familiäre Zystennieren e.V.: Auch hier Hilfe zur Unterstützung von Forschern, Selbsthilfe und bereits bestehenden Regionalgruppen.

●      Alstrom-Syndrom UK: 1998 gegründet, 86 Patienten in UK, Unterstützung der Patienten durch Übernahme der Kosten für Fitness + Wohlbefinden, enge Zusammenarbeit mit BBS UK und 60 anderen Organisationen.

●      BV-Niere: Dachverband nationaler Patientenorganisationen mit 16.000 Patienten

●      Erk-Net: europäisches Netzwerk seltener Nierenerkrankungen mit 70.000 Patienten und 300 verschiedenen Nierenerkrankungen. Große Datenbank für Ärzte, da über 2 Mio. in der EU betroffen.

●      Nephti-nf: Katargener-Syndrom, noch jung, 2018 gegründet, 20 Mitglieder

●      Kartagener-Syndrom und Primärer Ciliärer Dyskinesie e.V. bei Diagnose PCD

●      BBS International:  vorgestellt durch Bendert de Graaf – hier gibt es auch bereits eine Zusammenarbeit mit unserem Arbeitskreis BBS

Nach der Vorstellung sind einige Betroffene oder auch Eltern von Betroffenen entweder vor Ort oder digital zu Wort gekommen, um entweder ihre Geschichten zu erzählen oder auch nochmal darauf hinzuweisen, wie wichtig der direkte Austausch zwischen den Patienten und Forschern ist.

Um ca. 18.45 Uhr endete der erste Tag der Cilia. Wir haben noch die Aufgabe bekommen, uns eine Poster-Session anzuschauen und zu bewerten. Diese zeigte Dokumentationen von verschiedenen Forschungsprojekten und Ergebnissen und von völlig unterschiedlichen Universitäten, Forschungsgruppen etc. Da natürlich alles in Englisch war, haben wir uns darauf geeinigt, das Poster, welches für uns am besten verständlich war, zu bewerten. Zu späterer Stunde wurden dann die am besten bewerteten Poster prämiert.

Anschließend ging es zum Abendessen. Da dieses wieder in sehr lockerer Runde stattfand, hatten wir wieder die Möglichkeit mit vielen Teilnehmern ins Gespräch zu kommen. Gegen 22 Uhr kamen wir dann müde, aber mit vielen neuen Eindrücken im Hotel an.

Am Mittwoch hatten wir morgens nochmal die Gelegenheit, einen Vater aus England zu hören, der uns die emotionale Reise „Diagnose BBS“ von sich und seiner Tochter erzählt hat. Die Übertragung erfolgte Digital, aber man hat gemerkt, dass viele Teilnehmer vor Ort gespannt zugehört haben.

Um 11.30 Uhr haben wir uns dann verabschiedet, da die weiteren Vorträge für uns Laien dann doch etwas zu speziell wurden, und der Patiententag ja auch offiziell beendet war.

Für uns war es eine absolut lohnenswerte Veranstaltung mit vielen Eindrücken, einer Menge Input sowie alten und neuen Gesichtern. Wir haben mal wieder festgestellt, wie wichtig für Forscher und Patienten der persönliche Austausch ist und sind uns ganz sicher: Bei der nächsten Cilia 2024 in Dublin sind wir wieder dabei.

 

(Die Autorin Bernarda Gillißen ist 51 Jahre alt, wohnt am Niederrhein und ist Mitglied im Arbeitskreis Bardet-Biedl)