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Patiententage Bardet Biedl Syndrom am 28. und 29. September in Essen
Patiententage Bardet Biedl Syndrom am 28. + 29.September.2024 in Essen
Ausrichter: Neocyst mit Unterstützung der Uniklinik Essen
Mit insgesamt ca. 130 Teilnehmenden haben wir ein top organisiertes und informationsreiches Wochenende erlebt, bei dem auch der persönliche Austausch unter uns Betroffenen und auch mit den Ärzten, Forschern und Wissenschaftlern nicht zu kurz kam.
Samstag, 28.09.2024
Nach der Ankunft im Lernzentrum der med. Fakultät der Uniklinik Essen konnten wir uns für interessante Workshops anmelden.
Um 10.00 Uhr begrüßte uns Dr. Metin Cetiner und stellte uns in einer kurzen Übersicht den Verlauf der nächsten 2 Tage vor.
Bevor es mit dem Programm losging, präsentierte eine Mutter aus unserer Patientengruppe den von ihr selbst geschriebenen „Bardet-Biedl-Song 2024“ als großes „Dankeschön“ an unsere so sehr engagierten Ärzte, Forscher und Wissenschaftler. Danke nochmal für dieses wundervolle Lied. Es ist uns sehr zu Herzen gegangen und hat auch unsere Gemeinschaft weiter gestärkt.
Im Anschluss fanden Kurzvorträge zu folgenden Themen statt:
· 1 Jahr Imcivree bei BBS ( Dr. Metin Cetiner )
o Aktuell werden über 40 Patienten in Deutschland behandelt
o Erklärung was bei BBS im Gehirn passiert, wodurch kein Sättigungsgefühl vorhanden ist
o Das Register von Neocyst wird gefördert durch Bund
o 200 BBS-Betroffene im Register
o Die Hälfte der Betroffenen im Register haben BBS 1 oder BBS 10
o Ein Artikel über BBS für Ärzte wird in einer Monatsschrift „Kinderheilkunde“ veröffentlicht.
o Auswertung Ultraschall von unseren BBS-Patienten / Statistiken auch im Artikel
o Internationale Verknüpfung mit Ärzten ( European Journal of Human Genetics
o Vorstellung von Auswertungen nach 1 Jahr Imcivree, diese werden bald veröffentlicht
· Home Care Service bei BBS ( AKB mediz. Serviceleistungen GMB )
o Kein Pflegedienst, kein Spritzendienst, kein Ersatz für unsere Zentrenliste
o Stehen mit Rat und Tat zu Seite
o 40 Kollegen deutschlandweit, Fachschwestern, Onkologie, Intensiv usw.
o Beim Start Erfassung des Unterstützungsbedarfs und Hilfe
o Begleitung in die Selbständigkeit
o Unterstützung in besonderen Situationen
· Neocyst App ( Unrare.me )
o Vorstellung Idee zur App
o Die erste Socialmedia-App für Menschen mit seltenen Erkrankungen
o Man erstellt Profil und kann sich „matchen“ wie bei Dating-App
o Verbund zu Neocyst durch Open-Räume zu BBS
· Budiyu App
o Ein digitaler Helfer zur Patientenunterstützung
o Zusammen mit Rhythm entwickelt
o Für Patienten und Eltern – Version jetzt von 6-12 Jahren
· Bariatrische Chirugie bei BBS
o Magenband-OP - nicht so großer Erfolg, Schlauchmageneingriff, Magen-Bypass
o Möglich bei BBS
o Studie, ob Chirurgie und Medikament kombinierbar
· Wegio Studie ( Studie zur genetischen Ursachenforschung von Übergewicht )
o Mit genetischen Erkrankungen werden jährlich 7 Mio. Menschen geboren
o Ganzgenetischer Ansatz zur frühen genetischen Erkennung von Adipositas
o 35 Zentren nehmen teil, 1000 Teilnehmer werden genetisch getestet
o Ziel: Erforschung der Häufigkeit des Bardet-Biedl-Syndroms in der Bevölkerung
o Genetische Testung bei klinischer Diagnose hier möglich, in ca. 5 Wochen med. Bericht
o Deutschland – Entwicklungsland beim Thema Genetik
· Von der Forschung zur Therapie ( Prof. Dr. Arndt Rolfs )
o Mit genetischen Erkrankungen werden jährlich 7 Mio. Menschen geboren
o Pakistan hat einen sehr hohen Anteil ( 23 von 1000 ) durch familiäre Verbindungen ( 90%)
o Dort sind teilweise 20 Jahre bis zur genetischen Diagnostik möglich
o Auch Deutschland ist Entwicklungsland beim Thema Genetik
· BBS Forschung jetzt auch in Köln zu BBS8 ( Dr. Emilia Kieckhöfer )
o Grundlagenforschung
o Nephrolap Köln - 2 Personen beschäftigen sich mit BBS
o BBS 8 bei Mäusen auch Zystennieren
· News zu Immunsystem und BBS ( Prof.Dr. Dagmar Wachten )
o Ungesunde Lebensweise – Übergewicht – Fettgewebe entsteht – dadurch chronische Entzündung
o Relevant für uns: BBS - geringeres Risiko für dauerhafte Erkrankungen
o BBS verursacht, dass Zellen des Immunsystems keine Zilien aufweisen, jetzt große Frage warum das so ist.
· News zu Grundlagen und BBS ( Prof. Dr. Helen May-Simera )
o Grundlagenforschung in Zellbiologie
o PubMed Datenbank: Forschung zur Signalübertragung und zum ziliären Transport
o Forschung zu neuen Mutationen, neuen Beschreibungen der Erkrankung
o BBS-Proteine werden zunehmend an anderen Stellen der Zelle gefunden
· Reha Usedom für BBS
o Vorstellung des Kinder-Rehazentrums auf Usedom
o Für 2025 sind 2 BBS Schwerpunkt-Rehas geplant ( 1 x jüngere, 1 x ältere Kinder )
o Bedarf einer Erwachsenen-Reha wurde angesprochen, hat aber viele Hürden
Anschließend konnten wir uns alle an einem sehr leckeren Buffet, welches keine Wünsche offenließ, stärken.
Wie bei unseren Patiententagen der letzten Jahre war es auch hier wieder möglich an Untersuchungen teilzunehmen, bzw. für unsere Forscher Urinproben und Blutproben abzugeben. Dies hat bei uns allen einen sehr großen Stellenwert, denn wir wissen, wie wichtig diese Proben für die Forschung sind. Folgende Untersuchungen wurden angeboten:
1. Ultraschall der Niere, Leber und Schilddrüse
2. Untersuchung der Augen
3. Untersuchung der Zähne
4. Blutentnahme
5. Urinprobe
Ab 14.00 Uhr fanden dann zu allen oben angegebenen Vorträgen und weiteren Themen Workshops statt. Hier wurde dann nochmal spezifischer auf die einzelnen Themen eingegangen und man konnte sich in kleineren Arbeitsgruppen austauschen bzw. genauer informieren.
Diese Form hat uns allen sehr gut gefallen, da wir morgens vorab in 20-minütigen Vorträgen informiert wurden und nachmittags je nach Interesse die Workshops besuchen konnten.
Um 17.30 Uhr haben wir uns dann wieder alle zwecks Feedbacks des Tages im Hörsaal zusammengefunden und es fand eine offene Diskussion statt. Alle waren vom ersten Tag begeistert und haben sich für die tolle Organisation bedankt.
Um 19.00 Uhr konnten wir alle noch gemütlich zusammensitzen und uns austauschen. Wie über den Tag bereits festgestellt waren sehr viele BBS-Betroffene und Angehörige da, die bisher mit unserer Patientengruppe bei der Pro Retina keinen Kontakt hatten. Umso erfreuter waren wir natürlich, dass wir viele neue Gesichter bei uns in der Gruppe begrüßen durften.
Um ca. 21.00 Uhr hat sich dann auch der letzte auf den Weg Richtung Hotel gemacht. Vereinzelt hat man sich in kleineren Gruppen noch zusammengefunden um im Hotel bzw. Gaststätte den Abend ausklingen zu lassen.
Sonntag, 29.09.2024
Um 10.00 Uhr wurden wir alle wieder im Hörsaal des Lernzentrums begrüßt und direkt ging es weiter:
· News Auge und BBS - Frau Dr. Laura Kühlewein von der Uniklinik Tübingen
o In Tübingen gibt es eine Spezialsprechstunde für erbliche Netzhauterkrankungen
o 4 Ärzte
o 2 Genetiker zusätzlich angestellt
o Ein Datenregister gibt es bereits seit 30 Jahren, hier sind 60 Patienten zwischen 5 und 55 Jahren mit BBS erfasst
o 30.000 Proben von 11.000 Patienten vorhanden, davon ca. 7.500 mit erblicher Netzhauterkrankungen erfasst
o Erklärung zur genetischen Erkrankung der Netzhaut:
§ Zapfen (in der Netzhautmitte ): Lesefähigkeit nimmt ab, Gesichtserkennung wird schwieriger, reduzierte Farberkennung, gesteigerte Blendempfindlichkeit
§ Stäbchen ( in den äußeren Anteilen der Netzhaut ): schlechteres Sehen in der Dämmerung und bei Dunkelheit, Gesichtsfeldeinschränkung
o Nachtsehtest: wird bei Gentherapie angewendet
o Elektroretinographie: Feststellung, wie Zapfen und Stäbchen im Auge auf Licht reagieren – objektive Untersuchung, da unabhängig von Mitarbeit des Patienten
o Subjektive Untersuchung via Sehtest, Gesichtsfeldmessung und Nachtsehtest
o Bei Autismus und anderen Einschränkungen kann durch gut geschulte Augenärzte das Gesichtsfeld durch Beobachtung gemessen werden.
o Weitere Spezialsprechstunden vorhanden
Für uns ein sehr interessanter Vortrag, der auch verständlich vorgetragen wurde. Herzlichen Dank dafür.
· Zukünftige Forschungsprojekte:
o Prof.Dr. Helen May-Simera wartet noch auf die Genehmigung Ihrer Forschung, da es leider in Deutschland bei Forschung mit Mäusen durch viele Gesetze immer schwieriger wird.
o Vernetzung unter Ärzten und Forschern muss gesteigert werden
o Langzeitstudie Imcivree bei BBS in Bezug auf Leber und Niere ab 2025
o Neurokognitive Studie ab 2025 – vorherige Testung der Motorik und Entwicklung mit anschl. Jährlicher Wiederholung
o Studie für Imcivree bei Kindern zwischen 2 und 6 Jahren – Off-Label Anträge sind gestellt und genehmigt, Verhandlungen über Kostenübernahme laufen noch
o Non-Responder Studie ab 2025 – Feststellung, dass Wirkung von Imcivree abhängig von BMI/Gewicht zu Dosis pro kg/Gewicht ist – kann nur über Studie laufen
o Medikamentenspiegel – Studie ab 2025 – Blutuntersuchung um individuelle Dosierung zu ermöglichen
o Dialyse-Studie ab 2025
o Kooperation Grundlagenforschung ( Prof. Dr. Wachten – Immunsystem, Prof. Dr. May-Simera – Zilien, Signalwege und Dr.med. Kühlewein – Sehen )
o Aufbau eines BBS-Zentrums in Essen ( ICE BBS Essen – International Centre of Excellence )
Im Anschluss fand noch eine offene Fragerunde statt, bei dem nochmal viele Rückfragen zur Behandlung mit Imcivree gestellt wurden und die Reha-Klinik die Bedürfnisse der Betroffenen für das Reha-Angebot in 2025 erfasst hat.
Beim Feedback wurde uns dann auch mitgeteilt, dass ganze 3,7 Liter an Urinproben gesammelt wurden. An alle Teilnehmer ein herzliches Dankeschön für die rege Teilnahme. An der Reaktion hat jeder gemerkt, wie wichtig diese Proben sind.
Zum Abschluss möchten wir uns gerne im Namen aller Teilnehmenden ganz herzlich bei Metin Cetiner und seinem Organisationsteam, sowie allen Forschern, Wissenschaftlern und Ärzten bedanken, die dieses Wochenende für uns alle so toll gemacht haben. An dieser Stelle auch ein Dankeschön an Carron Brede aus unserer Patientengruppe, die eine Studie zum Thema „Zähne und BBS“ ins Leben gerufen und für BBS-Betroffene eine Zahnuntersuchung angeboten hat.
Wie heißt es so schön: Nach dem Wochenende ist vor dem Wochenende, hoffentlich sehen wir uns alle im Mai 2025 in Mainz wieder.
Der Arbeitskreis Bardet-Biedl-Syndrom
Autorin: Bernarda Gillißen, 53 Jahre, aus Viersen am Niederrhein