Möchten Sie die Darstellung der Website ihren persönlichen Bedürfnissen anpassen?
Die Einstellungen können Sie auch später noch über das Symbol
ändern.
Aktuelle Erkenntnisse und Therapieansätze beim Usher-Syndrom – Zusammenfassung des 11. Usher-Cafés
Das 11. Usher-Café, das vom Arbeitskreis Usher am 6.12.23 veranstaltet wurde, hatte das Thema „Verlauf und Prognose der Erblindung bei Usher-Syndrom“. Referentin war Frau apl. Prof. Dr. med. Katarina Stingl. Frau Dr. Stingl ist Oberärztin am Universitätsklinikum Tübingen und Leiterin der Sprechstunde für Erbliche Netzhautdegenerationen, sowie des Zentrums für Seltene Augenerkrankungen und der Forschungsgruppe Retinale Funktionsdiagnostik.
Auch an dieser Stelle möchten wir Frau Dr. Stingl unseren herzlichen Dank aussprechen, dass sie sich die Zeit für uns genommen hat um uns über die aktuellen Forschungsansätze im Bereich der Usher-Forschung zu informieren. Danken möchten wir aber auch Frau Katja Deckwerth, die die technische Betreuung des Zoom-Meetings übernommen hat.
Dirk Moos, der Leiter des Arbeitskreis Usher, eröffnete das 11. Usher-Café mit der häufigsten Frage, die in Beratungen gestellt wird: Werde ich blind, und wann werde ich blind? Viele Menschen die in die Beratung des Arbeitskreises kommen wissen nicht, wie es mit der Erkrankung weiter geht. Wann werde ich kein Auto mehr fahren können? Wann werde ich einen Langstock benötigen? Aber auch: Wie geht es mit dem Hören weiter? Und wird es eine Therapie geben?
Und hier setzt dann der Vortrag von Frau Dr. Stingl an.
In der Uniklinik Tübingen findet die Sprechstunde für erbliche Netzhautdegenerationen täglich statt, donnerstags in Verbindung mit einer PRO RETINA Sprechstunde. Berater von PRO RETINA können sich dann mit sozialrechtlichen Fragen, mit der Hilfsmittelversorgung und zu Fragen der Lebensgestaltung beschäftigen.
Montags wird stets eine Usher-Sprechstunde angeboten, die sich speziell mit doppelten Sinnesbehinderungen befasst. Unter einem Dach mit der Augenklinik steht die Universitäts-HNO Klinik mit Cochlea Implant Zentrum, das Erfahrungen im Umgang mit multiplen Sinnesstörungen hat. Montags stehen zwei Termine zur Verfügung, bei denen beide Sinneserkrankungen untersucht werden.
Wir konnten wichtige Erkenntnisse aus dem Vortrag mitnehmen: Zum Beispiel ist der Verlauf der Seheinschränkung beim Usher-Syndrom Typ 2 sehr individuell. Es gibt Menschen die mit 30 Jahren schon fast nichts mehr sehen können und es gibt auch Menschen, die bis zum 55. Lebensjahr noch ein für ein selbstständiges Leben ausreichendes Gesichtsfeld aufweisen. Die statistische Streuung ist beim Usher-Typ 1 aber deutlich geringer.
Frau Stingl ging auch noch auf Begleiterscheinungen zum Usher-Syndrom ein. Zum einen ist da der Katarakt oder auch „Grauer Star“ genannt. Die Operation zählt zu der am häufigsten durchgeführten Operationen, da Grauer Star nicht nur auf Menschen mit Netzhauterkrankungen beschränkt ist. Zitat Frau Stingl: „Grauer Star ist eigentlich keine Diagnose, das ist wie graue Haare, das bekommt jeder“. Weiterhin treten auch Makulaödeme auf. Es handelt sich dabei um eine Schwellung der Makula in der Mitte der Netzhaut. Im Wesentlichen sind es wassergefüllte Blasen. Diese Ödeme kann man auch oft gut behandeln.
In der Fragerunde zum ersten Teil wurde unter anderem betont, dass eine Katarakt-Operation im Allgemeinen keine direkten Risiken für die Netzhaut beinhaltet.
Im zweiten Teil des Vortrags ging die Referentin noch auf Therapiemöglichkeiten ein. Sie erwähnte die Elektrostimulations-Therapie. Sie bezog sich auf ein Gerät das der ehemalige Leiter der Sprechstunde Professor Zrenner mit einer Firma aus Reutlingen entwickelt hat. Es gäbe zwar noch andere Geräte, diese wären aber für Retinitis Pigmentosa nicht ausreichend getestet. Bei der Elektrostimulations-Therapie wird ein Draht am Auge angelegt und schickt dann Ströme in das Auge. Dadurch sollen Wachstumsfaktoren angeregt werden. Das soll auch durch experimentelle Studien belegt sein. Allerdings werden diese Geräte nicht von den Kassen bezahlt und man kann nie wissen, wie sich das Restsehvermögen ohne diese Therapie entwickelt hätte. Um die Frage der Wirksamkeit zu klären läuft jetzt eine dreijährige Studie. Man beobachtet 100 Patienten und behandelt aber bei allen jeweils nur ein Auge. Da die Retinitis Pigmentosa immer sehr symmetrisch ist, ist das andere Auge die Kontrollgruppe. Diese Studie wird in 2024 abgeschlossen sein.
Dr. Stingl berichtete auch von einer anderen Studie, in der die Wirkung von N-Acetylcystein untersucht wird. Dieses Medikament ist, vereinfacht gesagt, ein Hustenmedikament. Man untersucht derzeit weltweit an 400 Patienten, ob die Zapfen in der Netzhaut von einer Gabe dieses Wirkstoffes profitieren.
Im Vortrag wurde erläutert, dass es für das Usher-Syndrom keine klassische Gentherapie gibt, da die Usher-Gene zu groß sind um diese in Trägerviren einzubringen. Es wurde jedoch eine Methode vorgestellt, bei der das Gen in zwei Teile geschnitten und in zwei verschiedene Viren eingefügt wird. Diese Methode wird speziell für Usher1F entwickelt und von einer Stiftung in den USA finanziert. Allerdings gibt es diese Überlegungen auch für das Gen MYO7A (Usher 1B) und USH2A (Usher 2A), die in Laboren für künftige klinische Studien geprüft und vorbereitet werden.
Eine RNA-Therapie für bestimmte Mutationen von Usher2A wurde in klinischen Studien getestet und zeigte vielversprechende Ergebnisse. Trotz erfolgreicher Tests im Tierversuch und in der Phase 1 bei Menschen, wurde die Studie aufgrund finanzieller Schwierigkeiten gestoppt. Es besteht jedoch Hoffnung, dass in Zukunft ein neuer Sponsor die Finanzierung übernimmt. In dem Vortrag wurden auch unterschiedliche Situationen und Ergebnisse in Bezug auf die Therapie des Usher-Syndroms diskutiert. Einige Studienteilnehmer zeigten eine Verbesserung der Sehfunktion, und der Haupteffekt der Therapie sollte eine Verlangsamung des Fortschreitens der Krankheit sein. Es wurden auch akute posttherapeutische Verbesserungen beobachtet. Die Therapie muss halbjährlich wiederholt werden und es wird gehofft, dass sie fortgesetzt werden kann. Die Ergebnisse aus der Sicherheitsphase zeigten eine gewisse Wirkung. Es wurde festgestellt, dass es einen Unterschied in der Sehschärfe am behandelten Auge gibt und auch einen Unterschied in der Empfindlichkeit im Gesichtsfeld. Wie jede Therapie hat auch diese Nachteile. Es wurde beschrieben, dass Linsentrübungen und Makulaödeme auftreten können, die jedoch behandelbar sind. Trotz dieser Nachteile überwiegen die Vorteile der Therapie.
Soweit die Zusammenfassung des Vortrages. Der Vortrag war sehr informativ und streckenweise sehr komplex. Aber wir konnten sehen und hören, dass sich im Bereich der Usher-Forschung einiges tut und dass vielleicht die jüngere Generation davon noch gut profitieren wird.