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Artikel im "Fürstenfeldbrucker Tagblatt" vom 19./20.08.2023
Straßenschilder zum Ertasten
Die Sonne blendet, der Abstand ist zu groß: Straßenschilder sind für sehbehinderte Menschen in vielen Fällen nur schwer lesbar. Der Behindertenbeirat fordert deshalb, testweise eine extra Beschilderung im Stadtgebiet einzuführen. Auf Brusthöhe angebracht, könnten die auch Senioren, Kindern und Rollstuhlfahrern helfen. Die Stadt nimmt sich der Sache nun an.
Von Lisa Fischer
Fürstenfeldbruck – Weiß auf blau, schwarz auf gelb oder schwarz auf weiß: Verkehrszeichen sind für Autofahrer und Passanten alltäglich und helfen dem ein oder anderen weiter, den Weg in die richtige Richtung zu finden. Für Menschen mit Sehbehinderung sind die gängigen Schilder jedoch oft schwer zu erkennen – auch, weil sie weit oben hängen und deshalb nur aus großem Abstand zu lesen sind.
Testphase zunächst mit 25 Schildern
Für sehbehinderte Menschen in Fürstenfeldbruck hatte sich deshalb der Beirat für Menschen mit Behinderung der Sache angenommen. Mit Erfolg: In der Stadt sollen bald testweise ringförmige kleine Schilder angebracht werden. „Ein Mensch mit 30 Prozent Sehkraft oder weniger gilt als sehbehindert. Dieser müsste bis auf einen Meter an das Schild ran, umes lesen zu können“, sagte Peter Thierschmann, zweiter Vorsitzender des Behindertenbeirats, im jüngsten Verkehrsausschuss. Da die Schilder meist weit über zwei Meter über der Erde angebracht sind, sei das nicht möglich. „Deshalb wäre es sinnvoll, wenn es Schilder gibt, die auf 1,40 Meter Höhe angebracht werden“, so Thierschmann. In einem Antrag vom Vorsitzenden des Beirats Uwe Busse und Stadtrat Adrian Best hatte der Beirat im März gefordert, Straßenschilder für sehbehinderte und blinde Menschen in Testabschnitten in der Stadt anzubringen. Birgit Thron von der Straßenverkehrsbehörde der Stadt erklärte: „Wir haben 41 Standorte gefunden, vom Bahnhof bis ins Zentrum, an denen man das anbringen könnte.“ Doch das würde das Budget von 5000 Euro sprengen. Also schlug Thron vor, testweise an 25 zentralen Ampeln im Stadtzentrum etwaige Zeichen anzubringen. Durch die akustischen Signale an Ampeln finden auch blinde Menschen diese Schilder, die nicht nur mit gedruckten Buchstaben, sondern möglicherweise mit Brailleschrift ausgestattet sind.
Direkt aus dem 3D-Drucker
169 Euro würde eine Anfertigung kosten, wenn die Stadt es bei Anbieter Matthias Urlberger vom Brucker Unternehmen UM 3D Creations bestellen würde. Urlberger wurde vom Behindertenbeirat für eine solche Beschilderung im 3D-Druck vorgeschlagen. Der 37-Jährige kam auf die Stadt zu, mit der Idee, so etwas in Bruck zu installieren. (siehe Kasten) Auf den Kunststoff-Ringen, die um den Pfosten herum mit Schrauben befestigt werden, soll der Straßenname in erhobener Schrift für sehbehinderte Menschen beschriftet sein. Ob zusätzlich Brailleschrift aufgedruckt wird, sei aktuell eine Frage des Preises, so die Verwaltung. Die Beschilderung soll der städtische Bauhof anbringen. Die Kosten dafür werden mit Budget „FFB barrierefrei“ gedeckt. Für die weitere Finanzierung der Schilder prüft die Stadt nun, ob die Kosten über Stiftungen und Spenden gedeckt werden können. Die Testphase startet, wenn alle Voraussetzungen erfüllt sind. Möglicherweise zeigt sich dann, ob die Beschilderung auch von weiteren Nutzergruppen wie Rollstuhlfahrern und Kindern angenommen werden, heißt es seitens der Verwaltung.
Der Erfinder weiß, wovon er spricht
„Taktile Schilder“, also berührbare Schilder, nennt Matthias Urlberger seine Idee, die er im Stadtgebiet Fürstenfeldbruck umsetzen will. Der Name der Straße ist auf dem zweiteiligen Plastikrahmen abgedruckt, in kontrastreicher und erhabener Schrift – ebenso können blinde Menschen den Straßennamen in Brailleschrift auf der Oberseite des viereckigen Schildes ertasten.
Der gebürtige Brucker weiß, mit welchen Herausforderungen Menschen mit einer Sehbehinderung im Alltag zu kämpfen haben. „Ich kenne die Problematik“, sagt Urlberger. Er selbst ist von Geburt an durch einen Gendefekt sehbehindert, mit zunehmenden Alter wird es schlechter. „Schilder in großer Höhe spiegeln zum Beispiel bei Sonnenlicht und sind dadurch schlecht lesbar“, sagt der 37-Jährige. Orientierung an fremden Orten, selbstständig und unkompliziert, ist meist nicht möglich.
Anfang des Jahres recherchierte Urlberger im Internet, ob es schon Lösungen dafür gibt, die er nach Bruck holen könnte. „Dann habe ichmich hingesetzt undmitmeinem3D-Drucker den ersten Prototypen entworfen.“Mit der Technik kennt er sich aus. Seit 2016 bastelt er hobbymäßig und später mit seinem Kleingewerbe an Schriftzügen aus dem 3D-Drucker für Freunde. Seit vergangenem Jahr hat er sichmit seinem Unternehmen „UM 3D Creations“ selbstständig gemacht.
Mit dem ersten Prototypen des Straßenschilds wandte sich Urlberger an den Beirat für Menschen mit Behinderung und stieß dort sofort auf Zustimmung. Nun ist die Stadt am Zug. Bisher hat Urlberger schon sechs Prototypen weiterentwickelt. Wer ihn bei seinemProjekt unterstützenmöchte, findet Kontakt und weitere Informationen auf www.um-3.de.