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Das diesjährige erste Treffen der PRO RETINA-Regionalgruppen Hannover und Nienburg fand am 18.03.23 in Hannover in der Begegnungsstätte ZeitRaum statt. Es war mit 42 Teilnehmenden gut besucht. Neben zwei interessanten Vorträgen fand die Neuwahl des Leitungsteams statt.

Etwa 20 Angemeldete trafen sich gegen 11:00 Uhr bei sonnigem und vergleichsweise mildem Wetter vor dem Hauptbahnhof am Ernst-August-Denkmal. Nachdem wir uns begrüßt und ich einige Begleitungen gefunden hatte, ging es durch den Bahnhof runter zur U-Bahn-Station. Zum Glück erwischten wir noch die dort schon stehende Bahn und fuhren Richtung Norden zur Haltestelle Noltemeyerbrücke, direkt über dem Mittellandkanal. Auch dort warteten schon einige Teilnehmerinnen auf uns, eine hatte sich jedoch verspätet.

Da wir noch ein Stück zu Fuß zum ZeitRaum laufen mussten und ich die Veranstaltung pünktlich um 11:30 Uhr eröffnen sollte, wartete eine stark sehbehinderte Dame auf die gut sehende Verspätete. Ich beschrieb ihr den Weg zum Veranstaltungsort. Wir anderen waren rechtzeitig dort.

Im ebenerdigen großen Raum standen schon viele Vierertische, an denen schon etwa 20 Teilnehmende saßen, die direkt dorthin gekommen waren. Auch die erste Referentin, Silke Gottschalk von der Kripo Hannover, war schon in Zivilkleidung vor Ort. Zunächst wurden unsere Getränkewünsche aufgenommen, dann begrüßte ich die 42 Anwesenden. Zwischendurch schaute ich immer wieder durch die Fenster nach draußen, entdeckte die beiden Nachzüglerinnen aber leider nicht.

Dabei waren auch der Leiter der Bielefelder Regionalgruppe, Thorsten Petersen von Knebel, den ich begrüßte, aber auch Teilnehmerinnen aus Rheda-Wiedenbrück und Duderstadt, die eine weite Anfahrt auf sich genommen hatten. Andere kamen aus Braunschweig, Celle, Bad Fallingbostel in der Lüneburger Heide, Achim bei Bremen oder Nörten-Hardenberg bei Göttingen. Gemessen am Altersdurchschnitt früherer Regionalgruppentreffen waren wir hier relativ jung.

Anschließend begann Frau Gottschalk mit ihrem Vortrag zur Kriminalitätsprävention für blinde und sehbehinderte Menschen. Außer im diesem Bereich betreibt die Kripo noch Präventionsarbeit bei Kindern und Jugendlichen, wie auch im Straßenverkehr. Sie berichtete in ihrem Vortrag über einige Bereiche, in denen nicht nur sehbehinderte Menschen Gefahren ausgesetzt sind. Durch die zahlreichen Fragen der Anwesenden musste Frau Gottschalk nicht selten von einem Themenbereich zum anderen springen. In diesem Bericht fasse ich dies mehr zusammen.

Gefährdet sind wir unter anderem bei betrügerischen Telefonanrufen. Vielen von Euch ist sicher der Enkeltrick bekannt, über den wir hier eingehend sprachen. Man soll beim Anruf niemals die Namen von Angehörigen nennen und das Gespräch möglichst schnell beenden. Durch den Anruf bei den wirklichen Enkeln oder Familienangehörigen kann man schnell herausfinden, ob sie tatsächlich einen Unfall hatten oder in einer schwierigen Situation stecken. Auf keinen Fall sollte man Geld abheben und es einem Unbekannten geben. Leider fallen durch den Überraschungseffekt und die geschickte emotionale Gesprächsführung immer wieder Menschen darauf herein. Die Täter/innen erbeuten so bei vielen älteren Leuten oft hohe Summen.

Laut Silke Gottschalk ist es sehr schwer, an diese Banden heranzukommen, da sie oft aus dem Ausland, wie zum Beispiel der Türkei, anrufen und ihre Nummer unterdrücken. Sie wechseln auch schnell ihre Nummern und Orte. Ich warf ein, dass die meisten von uns die Nummern im Display sowieso nicht erkennen können. Nicht nur hier sollte man versuchen, misstrauisch zu bleiben und sich auf nichts einzulassen.

Manchmal rufen auch vermeintliche Polizisten an, die sagen, dass in der Nähe eingebrochen wurde und auf einem gefundenen Zettel der Täter auch der Name der Angerufenen stehen würde. Deshalb solle man Geld und Schmuck vor die Haustür legen. Es würde dann von einem Kripobeamten abgeholt und an einen sicheren Ort gebracht. Frau Gottschalk sagte, dass die Polizei nie so agieren würde und auch wenn auf dem Display die Nummer 110 stehen würde, wäre dies nie jemand von ihnen, da sie von ihrem Diensttelefon anrufen würden.

Ich berichtete, dass ich schon von vermeintlichen Mikrosoft-Mitarbeiter/innen angerufen wurde, die mir auf Englisch sagten, dass an meinem Computer etwas nicht in Ordnung sei und ich ihn sofort anschalten solle, damit sie dann per Team-Viewer nach dem Rechten sehen Könnten. Ich habe dann immer mit der Polizei gedroht und aufgelegt. Bei manchen wurde hierbei schon das Bankkonto leergeräumt Manchmal stehen vermeintliche Polizeibeamte vor der Tür und möchten in die Wohnung. Frau Gottschalk beschrieb, wie eine typische Polizeiuniform aussieht und zeigte uns auch ihren Dienstausweis. Alle, die noch etwas Sehkraft haben, erkannten auf dem scheckkartengroßen Dokument auf der Vorderseite ein Foto der Polizistin und auf der Rückseite ist in Niedersachsen ein Pferd. Man kann darum bitten, den Ausweis mit einer Lupe betrachten zu dürfen. Auch Ordnungsdienstmitarbeiter/innen haben einen Ausweis, auf der Rückseite aber mit einem Emblem ihrer Kommune. Polizeibeamte verlangen auch nicht ohne Grund Einlass in die Wohnung. Wenn sie keinen Durchsuchungsbeschluss vorlegen können, muss man sie nicht hineinlassen.

Auch bei fahrenden Handwerkern sollte man sehr vorsichtig sein und ihre Dienste besser ablehnen, da sie oft minderwertig arbeiten und vielleicht sogar Schaden angerichtet wird, für den man anschließend selten jemand haftbar machen kann, zumal wir meistens nicht das Kennzeichen und die Aufschrift ihres Autos/Lieferwagens erkennen können und sie das Geld oft in bar verlangen, also ohne Beleg und Adresse. Auch sie sollte man generell nicht ohne vorherige Ankündigung in die Wohnung lassen.

Zudem sollte man sich besser nicht auf Haustürgeschäfte und Spendensammler/innen einlassen. Wenn sie vorgeben, im Namen einer Organisation zu sammeln, sollte man hier nachfragen, ob tatsächlich in dieser Gegend gesammelt wird. Auch sollte man besser nicht die Geldbörse öffnen, wenn zum Beispiel in der Fußgängerzone jemand Geld gewechselt haben möchte, da sonst manchmal Geldscheine fehlen. Am besten sollte man sein Geld in der Innentasche der Jacke aufbewahren.

Die vielen Fragen und Schilderungen der Teilnehmenden zeigten, dass dieses Thema sehr interessant und wichtig war. Am Ende, also um kurz nach 13:00 Uhr, bekam Silke Gottschalk einen großen Applaus und lobende Worte von mir.

Inzwischen waren schon die vorbestellten Mittagsgerichte von einem nicht weit entfernten italienischen Lokal geliefert worden. Dank der beiden gebuchten Servicekräfte im ZeitRaum und einer helfenden Hand von uns wurden sie relativ bald auf Tellern und mit Besteck serviert. Beim Essen konnte man sich mit anderen Teilnehmenden austauschen.

Nachdem wir alle gestärkt waren, ergriff ich das Mikrofon und gab einige Informationen zur Wahl des neuen Leitungsteams der beiden Regionalgruppen. Dem Wahlleiter Gerd Pfannschmidt übergab ich die Teilnahmeliste, auf der ich alle markiert hatte, die Mitglieder der beiden Gruppen, und somit wahlberechtigt sind. Es waren 24. Sabine Bressel führte das Wahlprotokoll.

Zunächst fragte ich, ob noch jemand für einen Posten im Leitungsteam kandidieren möchte. Dies war nicht der Fall. Also stellte ich mich zunächst vor, dann Manfred Bressel, der als Kassenwart kandidierte, wie auch Claudia Rieke, die als Stellvertreterin antrat und Ramona Jacobs als Beisitzerin und MD-Beraterin. Wir beschlossen, dass es eine Gruppenwahl geben soll, da jeder nur für eine Position kandiert. Es beantragte niemand eine geheime Wahl, sodass mit Handzeichen abgestimmt werden konnte. Wir wurden einstimmig, also ohne Nein-Stimmen oder Enthaltungen, gewählt, sodass ich auch die nächsten vier Jahre der Regionalgruppenleiter bin. Wir bedankten uns und nahmen die Wahl an.

Pünktlich um 14:15 Uhr wollte ich das Mikrofon an Lars Dähne und seine Kollegin Cornelia Westram übergeben, die allerdings noch einige Minuten brachten, sodass ich als Überbrückung auf anstehende Termine hinweisen konnte. Herr Dähne sagte eingangs, dass beide beim Landesbildungszentrum für Blinde (LBZB) in Hannover als Mobilitätstrainer arbeiten würden. Sie hatten zuvor den Vortrag von Frau Gottschalk gehört und stiegen gut darauf ein. Zunächst ging es darum, wie man Menschen, die erblindet sind, richtig führt. Man sollte sie möglichst nicht unterhaken. Stattdessen sollten diese ihren Arm auf die Schulter des Führenden legen, der dann vorangeht. So würden sie schnell merken, wenn diese Person plötzlich ohne Ankündigung eine Stufe hinauf oder hinabgeht. Auf diese Weise können auch mehrere erblindete Menschen geführt werden. Sie müssen jeweils ihren rechten Arm auf die Schulter der vorangehenden Person legen. So gehen sie leicht versetzt und nehmen nicht so viel Platz ein, wie Geführte, die nebeneinander hergehen. Manchmal kommt es aber auch zu Situationen, wo jemand eine Person, die mit dem Taststock unterwegs ist, einfach am Arm nimmt und zum Beispiel über eine Straße zerrt, obwohl diese gar nicht dorthin gehen will. Hier sollte man bestimmt sagen, dass man dies nicht möchte. Wenn dies nicht hilft, gibt es verschiedene Möglichkeiten, wie man die Umklammerung des Arms verhindern oder lösen kann. Dies demonstrierten Herr Dähne und Frau Westram zunächst in vorderen Bereich des Raums. Man kann den Arm oder sich selbst schnell wegdrehen oder ihn wie einen schlaffen Sack herunterhängen lassen. Dies probierten viele Teilnehmende vor dem Gebäude des ZeitRaums selbst aus.

Dann ging es darum, wie man Hilfsmittel, einen Blindenstock und das dazugehörende Mobilitätstraining von der Krankenkasse bewilligt bekommt. Zunächst braucht man dafür von der Augenärztin/dem Augenarzt ein Rezept. Bei der Beantragung sind nicht zwingend feste Seh-Werte erforderlich. Es sollte beim Sehtest aber auf jeden Fall auch das Gesichtsfeld gecheckt werden, aber auch der Visus. Hier sollte man bitten, dies mit dem Landolt-Ring zu machen. Dies ist ein Kreis, der an einer Stelle eine Öffnung hat, die man erkennen muss. Bei Buchstaben und Zahlen ist es so, dass man aus Erfahrung weiß, wie sie aussehen und auch, wenn man sie verschwommen sieht, erahnen kann, um was es sich handeln könnte. Dies ergibt dann einen höheren Visus, als den, den man wirklich hat. Man sollte auf jeden Fall deutlich machen, dass man den Stock oder das Hilfsmittel dringend braucht, weil man ohne zum Beispiel nicht mehr lesen kann oder Stufen und Absätze nicht mehr richtig sieht.

Wenn man zwei Langstöcke bewilligt bekommt, gehört dazu immer ein Mobilitätstraining. Die Trainer/innen findet man im Internet auf der Seite www.rehalehrer.de Hier muss man seine Postleitzahl eingeben und es werden die in der Nähe Arbeitenden angezeigt. 40 Unterrichtsstunden sind hier normal.

Wenn man das Hilfsmittel oder das Mobilitätstraining bei der Krankenkasse beantragt hat, müssen sie innerhalb von 14 Tagen antworten. Bis zu Entscheidung dauert es dann oft acht weitere Wochen. Bekommt man eine Ablehnung, kann man dagegen Widerspruch einlegen und anschließend ein weiteres Mal. Hilfe hierbei bekommt man von der Rechtsberatung rbm. Hierzu findet Ihr mehr in der letzten Newsletter-Ausgabe. Falls der Stock oder das Hilfsmittel kaputtgeht, hat man Anspruch auf einen gleichwertigen Ersatz. Man darf aber nicht daran herumgebasteln oder etwas verändern.

Außerdem ging es noch um die richtige Kennzeichnung im Straßenverkehr. Akzeptiert werden hier leider keine gelben kleinen Buttons mit drei schwarzen Punkten, sondern nur beidseitige Armbinden. Alternativ gibt es aber auch eine Schirmmütze mit diesen Punkten oder eine Warnweste bzw. einen Überzug für den Rucksack in grellen Farben und mit dem Symbol einer Person mit einem Blindenstock. Auch ein Langstock gilt als Erkennungszeichen, wie auch ein Blindenführhund mit weißem Geschirr. Für die Kennzeichnung gibt es keine festen Seh-Werte. Wenn aber nach einem Unfall, an dem man nicht einmal schuld sein muss, festgestellt wird, dass man schlecht sieht, kann man eine Mitschuld bekommen. Letztendlich muss dies jede/r für sich entscheiden.

Abschließend ging es noch um die verschiedenen Langstöcke. In der Qualität und Leichtigkeit gibt es große Unterschiede. Oft wird von der Krankenkasse nur die Standard-Version bezahlt. Wenn man einen teureren Stock möchte, muss man die Differenz selbst zahlen. Wir konnten zum Ende des Vortrags noch diverse Landstöcke ausprobieren. Auch dieser Vortrag war abwechslungsreich, lebendig und stieß auf großes Interesse.

Abschließend bedankte ich mich dafür und verabschiedete die Anwesenden mit einem Hinweis auf das nächste Regionalgruppentreffen am 28.10.23. Es war für uns ein sehr informativer Tag.

von Christian Schulte