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Habe ich als blinder oder sehbehinderter Menschen Anspruch auf Pflegegeld? – Antworten aus unserer EUTB-Beratungsstelle

von Christian Schulte

In der letzten Ausgabe des Newsletters habe ich über die Beratungsangebote und Hilfen der EUTB-Beratungsstelle für blinde und sehbehinderte Menschen hingewiesen, die in Hannover vom Blinden- und Sehbehindertenverband Niedersachsen (BVN) betrieben wird. EUTB steht für Ergänzende unabhängige Teilhabeberatung.

Aber auch wir von der PRO RETINA bieten diese Form der Beratung an. Sylvester Sachse-Schüler, der dort arbeitet, hielt beim Ehrenamtscafé im August einen Vortrag darüber. Das Ehrenamtscafé findet in der Regel einmal monatlich via Zoom-Konferenz statt und richtet sich an Menschen, die in der PRO RETINA aktiv sind.

In dem Vortrag ging es darum, ob auch blinde und stark sehbehinderte Menschen eine Chance auf einen Pflegegrad und somit Pflegegeld haben. Zunächst solle man sich an seine Krankenkasse wenden und einen entsprechenden Antrag anfordern. Anspruchsberechtigt ist jede/r, die/der in den letzten zehn Jahren mindestens zwei Jahre in die Pflegeversicherung eingezahlt hat. Den Antrag schickt man dann ausgefüllt an die Krankenkasse zurück. Anschließend bekommt man einen Termin zur Begutachtung durch den Medizinischen Dienst. Hierauf sollte sich jede/r Antragsteller/in gut vorbereiten. Ideal ist es, wenn man zum Beispiel in der Woche vor dem Termin eine Art Tagebuch führt. Hier kann man notieren, welche Dinge im täglichen Leben einem schwergefallen sind oder gar nicht mehr eigenständig erledigt werden können. Orientieren sollte man sich in erster Linie an den Tagen, an denen es einem nicht so gut ging.  Zudem ist es ratsam, vor dem Besuch des Medizinischen Dienstes den Schwerbehindertenausweis, Arztberichte und Entlassungsberichte aus dem Krankenhaus herauszusuchen und sie dann gebündelt vorzulegen.

Obendrein solltet Ihr Euch vor dem Besuch an die EUTB-Beratungsstelle der PRO RETINA gewandt und mit den Beratenden über die Situation gesprochen haben. Es gibt die Möglichkeit, vorab am Telefon ein solches Gespräch als Übung durchzuführen. Bei dem eigentlichen Treffen mit dem Medizinischen Dienst kann auch jemand von der Beratungsstelle dabei sein, hält sich aber eher zurück. In der Regel kommen sie vom Medizinischen Dienst nach Hause. In Corona-Zeiten fanden aber auch Telefonate statt.

Bei dem Gespräch und der Bewertung kommen sechs Module zum Tragen. Zunächst geht es darum, wie gut man noch in der eigenen Wohnung bzw. im Haus zurechtkommt. Für Menschen mit einer Seheinschränkung sind zum Beispiel Treppen, Stufen im Boden schwierig, wie auch Teppiche als Stolperfalle. Berücksichtigt werden aber auch die kommunikativen und kognitiven Fähigkeiten. Bekommt man ohne oder mit geringer Sehkraft noch mit, wenn etwas im Kochtopf überkocht, in der Pfanne anbrennt oder die Flamme einer Kerze auf andere Gegenstände übergreift? Kann man in diesen Situationen rechtzeitig Hilfe holen? Auch die psychische Belastung spielt eine Rolle. Leidet man sehr unter der nachlassenden Sehfähigkeit und den damit verbundenen Konsequenzen? Mancher bekommt Depressionen oder eine Angststörung wegen der unklaren Zukunftssituation andere werden frustriert und aggressiv.

Man meisten wird berücksichtigt, wie gut man mit der Sehbehinderung im Alltag zurechtkommt. Kann man noch eigenständig kochen, die Wäsche waschen, bügeln, einen Knopf annähen, putzen oder die Kleidung auf Flecken kontrollieren, bevor man rausgeht? Ist das Einkaufen noch ohne Hilfe möglich? Klappt die Rasur noch, ohne dass man sich Verletzungen zufügt?

Ebenfalls wird geschaut, ob man sich noch eigenständig medizinisch versorgen kann. Ist es noch möglich, Wunden zu versorgen? Kann man derzeit selbst Tabletten teilen, Tropfen abzählen oder Augentropfen ins Auge träufeln? Gelingt es noch den Diabeteswert, die Temperatur und den Blutdruck zu messen? Kann man sich noch die Fuß- und Fingernägel schneiden? Aber auch das Leben außer Haus ist wichtig. Findet man sich draußen noch ohne fremde Hilfe zurecht? Kann man alleine mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren, Fahrpläne erkennen und Freunde treffen?

Sylvester Sachse-Schüler sagte, dass man hier ehrlich sein solle, auch wenn es einem vielleicht unangenehm ist, dass man bestimmte Dinge nicht mehr eigenständig erledigen kann. Auch Angehörige sollten dabei sein und ihre Einschätzung der Situation schildern.

Einige Wochen später erhält die begutachtete Person kann einen Bescheid. Er kann durchaus 20 oder 30 Seiten umfassen. Diesen sollte man sich sorgfältig durchlesen und überlegen, ob alles so richtig dargestellt und beurteilt wurde. Falls nicht, kann man dagegen Widerspruch einlegen. Auch hier kann die EUTB-Beratungsstelle helfen.

Im Anschluss konnten wir Fragen stellen. Ich wollte wissen, ob es feste Werte der Seheinschränkung gibt, ab wann man die Chance auf Pflegegeld hat und ob man bessere Chancen hat, wenn man alleinstehend ist, also niemand einem direkt helfen kann. Sylvester antwortete, dass es bei der Zuerkennung des pflegegrades eher darauf ankommt, wie viel jemand noch machen kann. Auch mit der gleichen Sehkraft kann dies durchaus unterschiedlich sein. Manchmal schlägt der Medizinische Dienst auch die Finanzierung von Sehhilfen, wie zum Beispiel eines Bildschirmlesegeräts vor. Es ist aber richtig, dass man als Single bessere Chancen hat. Man muss das Geld, welches man aufgrund des Pflegegrads bekommt, aber nicht für einen professionellen Pflegedienst ausgeben, sondern kann auch Bekannte oder Angehörige damit entlohnen.

Wichtig ist auch, dass das Blindengeld bei Pflegegrad 1 nicht angerechnet wird, bei einem höheren Pflegegrad aber durchaus.  Der Vortrag war sehr interessant und wird sicher auch etliche von Euch weiterhelfen. Auch wenn Ihr Fragen zu Rehabilitationsleistungen oder Teilhabeleistungen haben solltet, könnt Ihr sie dort gerne stellen und werdet umfassend informiert. Hier nun die telefonischen Sprechzeiten unserer EUTB-Beratungsstelle und die Kontaktdaten:

Die Sprechzeiten sind von montags bis freitags von 8:00 – 14:00 Uhr. Abseits dieser Zeiten ist ein Anrufbeantworter eingeschaltet.

Wenn Ihr eine E-Mail mit Fragen senden möchtet, dann bitte an folgende Adresse: eutb@pro-retina.de

Sylvester Sachse-Schüler ist unter der Telefonnummer (02 28) 217 227-20 oder per Handy unter (01 51) 5 62 44 91 zu erreichen.

Abschließend hoffe ich, dass ich möglichst vielen von Euch durch diese gebündelten Informationen weiterhelfen konnte.