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Rechtliche Vorsorge

Vorsorgevollmacht - Betreuungsverfügung Patientenverfügung

Von Sandra Moqadden

Sicherlich 60 Mitglieder der Regionalgruppe Köln und weitere Interessenten lauschten gebannt dem Vortrag von Dr. Hohmann - Amtsgerichtsdirektor a. D. und viele Jahre auch Betreuungsrichter - zu dem Thema "Rechtliche Vorsorge."

Gleich zu Beginn unterstrich er deren Bedeutung der rechtlichen Vorsorge: Man könne sie mit einer Versicherung vergleichen. Auch dort hofft man, dass der Versicherungsfall nie eintreten werde, z. B. das Haus nicht abbrenne. Nur: was wäre, wenn der Fall doch eintritt und man hätte keine Versicherung abgeschlossen? Man bekäme nichts und bliebe auf dem Schaden sitzen.

Genauso ergeht es uns, wenn wir aus welchen Gründen auch immer in eine Situation geraten, in welcher wir unsere Angelegenheiten nicht mehr selbst regeln können; dann müssten andere für uns handeln, die das aber nicht automatisch dürfen. Ist man nämlich über 18 Jahre alt, gibt es keine gesetzliche Vertretung: So kann der Ehegatte oder ein naher Angehöriger nicht so ohne Weiteres als Vertreter einspringen.

Notwendig ist vielmehr ein zuvor bestellter Bevollmächtigter oder - gibt es diesen nicht - ein rechtlicher Betreuer, der vom Amtsgericht in einem aufwändigen, Zeit raubenden und kostspieligen Betreuungsverfahren bestellt werden muss. Wie bei einer Versicherung ist man auf jeden Fall besser dran, wenn man rechtzeitig vorgesorgt hat und ein Bevollmächtigter seines Vertrauens im akuten Vorsorgefall ohne zeitliche Verzögerungen das Notwendige erledigen kann. Damit sollte man allerdings nicht zu lange warten. Denn je älter man wird, desto wahrscheinlicher kann einen der Vorsorgefall treffen, übrigens weit eher als der erwähnte Hausbrand. Dies schilderte Dr. Hohmann eindrucksvoll an zwei von ihm selbst erlebten Beispielsfällen.

Rechtliche Vorsorge besteht aus der Vorsorgevollmacht, der Betreuungsverfügung und der Patientenverfügung, wobei die Vollmacht am wichtigsten ist. Bei allen drei Erklärungen geht es jedenfalls darum, dass im Falle einer Entscheidungsunfähigkeit, im sogenannten Vorsorgefall, der eigene Wille umgesetzt wird.

Die Vorsorgevollmacht

Mit der Vorsorgevollmacht kann man eine oder mehrere Personen seines Vertrauens ermächtigen, für ihn zu handeln und rechtsverbindliche Erklärungen abzugeben. Die Bestellung eines Betreuers durch das Amtsgericht wird damit - soweit die Vollmacht reicht - vermieden. Weil die Vollmacht im Vorsorgefall nicht mehr ergänzt werden kann, sind möglichst alle Aufgabenbereiche aufzunehmen (Generalvollmacht). Aus dem gleichen Grunde ist es auch sinnvoll, mehrere Personen einzusetzen, damit bei Verhinderung des einen ein anderer handeln kann. Selbstverständlich sollte man zu dem einen oder den weiteren Bevollmächtigten uneingeschränktes Vertrauen haben, wobei dieses Vertrauen auch unter den mehreren Bevollmächtigten bestehen sollte. Wichtig ist bei allem - gleichsam die "Goldene Regel" für die rechtliche Vorsorge - , dass über alles gründlich und vertrauensvoll geredet werden sollte. Gelingt dies, erübrigt sich die von einzelnen Zuhörern gewünschte "Rangfolge" unter mehreren Bevollmächtigten, die überdies in der Praxis selten funktioniert.

Für freiheitsentziehende Maßnahmen (Zwangsbehandlungen, schwerwiegende ärztliche Eingriffe und Angelegenheiten der Patientenverfügung fordert das Gesetz einen ausdrücklichen Hinweis in der Vollmacht (§§ 1904 Abs. 5 u. 1906 Abs. 5 BGB). In Fällen dieser Art ist außerdem das Betreuungsgericht für zusätzlich vorgeschriebene Genehmigungen einzuschalten, und zwar zwingend immer bei freiheitsentziehenden Maßnahmen und Zwangsbehandlungen; sonst nur dann, wenn zwischen Arzt und Bevollmächtigten kein Einvernehmen besteht.

Die einfache Schriftform reicht für fast alle Angelegenheiten bei der Vorsorgevollmacht aus - sie muss nur datiert und persönlich unterschrieben werden. Grundstücksangelegenheiten und bestimmte behördliche Angelegenheiten (z. B. Ausweis oder Pass) allerdings bedürfen der "öffentlich beglaubigten" Unterschrift des Vollmachtgebers. Diese öffentliche Beglaubigung kann bei einem Notar oder einer Betreuungsbehörde erfolgen. Sind handelsgewerbliche oder sonst komplizierte und schwierige Angelegenheiten Inhalt der Vollmacht, empfiehlt sich eine notarielle Beurkundung; die allerdings wesentlich teurer ist. Besonderes gilt auch für Bankangelegenheiten: Banken und Sparkassen verlangen zur eigenen Absicherung eine Vollmacht auf bankeigenen Vordrucken. Daher ist Rücksprache bei der eigenen Bank notwendig. Neben dem gemeinsamen Konto wird die Bankvollmacht oder eine "Bank-Vorsorgevollmacht" angeboten, wobei die Bevollmächtigten mit unterzeichnen müssen.

Die Betreuungsverfügung

Sie ist nur von Bedeutung, wenn es im Vorsorgefall keine Vollmacht gibt oder diese nicht funktioniert, weil der dort benannte Bevollmächtigte ausgefallen ist oder weil die Vorsorgevollmacht von dritter Seite nicht anerkannt wird. In diesem Falle ist die Einschaltung des Betreuungsgerichts unvermeidlich.

Hier kann mit der Betreuungsverfügung auf die richterliche Auswahl des Betreuers in der Weise Einfluss genommen werden, dass in erster Linie einer der in der Vollmacht genannten Bevollmächtigten oder - wenn dies nicht möglich ist - eine andere zusätzlich benannte Person zu bestellen ist. Auch kann der Verfügende bestimmte Personen als Betreuer ablehnen, was in dem Vordruck handschriftlich ergänzt werden müsste. Schließlich können dem Betreuer in der Verfügung besondere Weisungen erteilt werden, zum Beispiel, die Patientenverfügung zu beachten.

Die Patientenverfügung

Mit der Patientenverfügung werden im Falle einer irreversiblen Bewusstlosigkeit, schweren Dauerschädigung des Gehirns oder eines Ausfalls lebenswichtiger Funktionen Anordnungen für die medizinische Behandlung, besonders aber für die Ablehnung oder Beendigung ärztlicher Maßnahmen getroffen. Ausdrücklich werden als aussichtslose Zustände das andauernde Wachkoma und die fortgeschrittene Demenz erwähnt. Die Patientenverfügung richtet sich in erster Linie an die Bevollmächtigten bzw. Betreuer, welche die Wünsche zu beachten und gegenüber den behandelnden Ärzten umzusetzen haben.

Patientenverfügungen sind seit dem 01. September 2009 nach dem Gesetz zur Änderung des Betreuungsrechts (3. BtRÄndG) für Ärzte bindend. Die Nichtbeachtung führt grundsätzlich zu straf- und zivilrechtlichen Konsequenzen, weil jede ärztliche Maßnahme rechtlich als vorsätzliche Körperverletzung gewertet wird und erst durch die Einwilligung gerechtfertigt wird. Dies gilt allerdings nicht für unaufschiebbare Notfallbehandlungen die gemäß § 34 StGB rechtmäßig sind und zu denen insbesondere Ärzte, Pfleger und Rettungskräfte von Berufs wegen jederzeit verpflichtet sind. Alle weiteren medizinischen Maßnahmen bedürfen angemessener Prüfung, Abklärung, Aufklärung durch den behandelnden Arzt und seitens des Patienten bzw. dessen Vertreters (Bevollmächtigter oder Betreuer) der Zustimmung, die bei der ambulanten Behandlung häufig stillschweigend, bei schwierigen Eingriffen aber nach gründlicher Aufklärung schriftlich erteilt wird.

Hauptanwendungsfälle der Patientenverfügung sind die künstliche Ernährung (PEG-Sonde) und Beatmung (Trachealkanüle). Einwilligungen in solche und ähnliche Behandlungen können nach dem neuen Recht vorsorglich abgelehnt, zeitlich befristet und im Anwendungsfall widerrufen werden. Dies gilt auch gegenüber Pflegern und Leitern von Pflegeeinrichtungen, welche die Patientenverfügung gleichermaßen zu beachten haben.

Auch für die "schriftlichen Festlegungen" in der Patientenverfügung verlangt das Gesetz eine besondere Form. Handschriftliche, gedruckte und vorformulierte Erklärungen - mit Datum versehen und eigenhändig unterschrieben - gelten gleichermaßen. Ergänzende persönliche Angaben - eigene Wertvorstellungen, Motivationen - können die Ernsthaftigkeit der Erklärungen unterstreichen. Nützlich ist auch der Hinweis auf zusätzliche Beratungen (z. B. durch den Hausarzt).

Wie schon vorher auf die Bedeutung der Kommunikation hingewiesen wurde, gilt dies in besonderem Maße für die Patientenverfügung Gespräche mit den Bevollmächtigten sowie mit weiteren Personen sind hilfreich, weil sie das Vertrauensverhältnis stärken, auf spätere Vorsorgefälle vorbereiten und den Bevollmächtigten die dann zu treffenden Entscheidungen erleichtern. Da auch mündliche Äußerungen des Betroffenen, soweit sie bewiesen sind, für die Feststellung des mutmaßlichen Willens maßgebend sein können (§ 1901 Abs. 2 BGB), wird damit der Anwendungsbereich entsprechend erweitert. Auch können dadurch etwaige Lücken in der Patientenverfügung ausgefüllt werden und in der konkreten Behandlungssituation die vom Betroffenen gewollten Entscheidungen leichter und sicherer gefunden werden. Im Falle einer Behandlungssituation, für die eine Anwendung der Patientenverfügung in Betracht kommt, ist eine einvernehmliche Entscheidung zwischen Arzt und Bevollmächtigten/Betreuer erforderlich. Fehlt dieses Einvernehmen, ist das Betreuungsgericht einzuschalten.

Im Notfall sind die ärztlich gebotenen (vorläufigen) Behandlungen durchzuführen. Da in dieser Phase der Patientenwille oft nicht festgestellt werden kann, sind im Zweifel auch Wiederbelebungsmaßnahmen durchzuführen.

Die Erklärungen sind zu datieren und zu unterschreiben. Sie werden damit wirksam und gelten bis zu einem eventuellen ausdrücklichen Widerruf. Eine Bestätigung schreibt das Gesetz für keine der Erklärungen vor. Von den noch immer vielfach empfohlenen regelmäßigen Bestätigungen wird abgeraten. Hierzu besteht kein Anlass, weil in diesen Fragen Meinungsänderungen unwahrscheinlich sind. Zudem kann eine regelmäßige Bestätigung, wie sie empfohlen wird, das Gegenteil des Gewollten bewirken, wenn sie wegen Vergesslichkeit oder eingetretener Demenz später unterblieben ist. Dann müsste nämlich bewiesen werden, dass der Abbruch der Bestätigungen nicht auf einem Meinungswandel beruht. Derartige Bestätigungen mögen allenfalls sinnvoll sein, wenn inzwischen eine sehr lange Zeit (etwa fünfzehn Jahre) verstrichen ist oder Ereignisse eingetreten sind, die Anlass zu einer Meinungsänderung geben könnten.

Die Vorsorgeerklärungen müssen im Bedarfsfall griffbereit sein und werden am besten in der eigenen Wohnung aufbewahrt. Wichtig dabei ist, dass die Bevollmächtigten im Vorsorgefall darauf zugreifen können, Zugang zur Wohnung haben und den konkreten Aufbewahrungsort (Schrankfach/Schublade) kennen. Selbstverständlich können die Originale auch gleich den Bevollmächtigten ausgehändigt werden. Zweckmäßig ist ferner dem Hausarzt vorab eine Kopie zu überlassen. Überdies haben Altenpflegeheime, ambulante Pflegedienste und Krankenhäuser großes Interesse, informiert zu sein.

Eine amtlich anerkannte zentrale Registrierung gibt es lediglich für Vorsorgevollmachten und Betreuungsverfügungen, auf die nur Betreuungsgerichte Zugriff haben und die überdies nur lückenhaft Auskunft geben können.

Sinnvoll und sehr zu empfehlen ist vielmehr die Notfallkarte, die man möglichst immer bei sich führen sollte und die den behandelnden Ärzten im konkreten Fall so früh wie möglich über die Existenz der Vorsorgeerklärungen und über Möglichkeiten der Kontaktaufnahme zu den Bevollmächtigten informiert. Ferner empfiehlt sich - besonders für allein lebende Personen - , einen deutlichen Hinweis in der Wohnung anzubringen. Im Falle einer stationären Behandlung sollten die Vorsorgeerklärungen im Krankenhaus vorliegen. Nachdem die Patientenverfügung gesetzlich geregelt worden ist, sind entsprechende Nachfragen seitens der Ärzte und des Pflegepersonals heute üblich. Während es in den früheren Jahren wegen der rechtlichen Unsicherheit nicht selten Vorbehalte der Ärzte gab, wird die Patientenverfügung nunmehr generell akzeptiert und als hilfreich für die Überlegungen der weiteren Behandlung angesehen.

Schließlich wird empfohlen, die Entscheidung über die Zustimmung oder Ablehnung der Organspende in die Patientenverfügung aufzunehmen. Die hier niedergelegte Dokumentation hilft den Ärzten und erspart den Angehörigen die Last, sich in den Stunden des Abschied Nehmens mit dieser schwerwiegenden Frage auseinander zu setzen. Insofern wird auch davon abgeraten, die Entscheidung darüber auf eine andere Person zu übertragen, wie dies in den amtlichen Organspendenausweisen als weitere Alternative vorgesehen ist.

Die Aufnahme dieser Erklärungen ist schließlich auch deshalb sinnvoll, weil nach Meinung vieler Ärzte - so auch der Bundesärztekammer - die Bereitschaft zur Organspende im Widerspruch zu der in der Patientenverfügung erklärten Ablehnung von Lebensverlängerungsmaßnahmen stehe. Dieser Widerspruch wird durch einen klärenden Zusatz beseitigt.

Abschließend gab Dr. Hohmann zu bedenken, dass die Patientenverfügung nicht nur für den Betroffenen sinnvoll ist. Vielmehr hilft sie - vielleicht sogar noch mehr - den Angehörigen, mit Leiden und Sterben des Betroffenen und mit der nachfolgenden Trauer fertig zu werden.