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Der erblindete Wolfgang Schweinfurth hat in Ober-Olm lange für ein barrierefreies Überqueren der Bahnhofstraße gekämpft – mit Erfolg

Von Christopher Shaw

Ober-Olm.“ Endlich kann ich die Straße alleine überqueren – das ist ein Stück Freiheit für mich.“ Das akustische Signal ertönt, und Wolfgang Schweinfurth setzt sicher mit einem Stock einen Fuß vor den anderen – die neue Ampel in Ober-Olm macht es möglich..

Zwölf Jahre Geduld zahlen sich aus

Wolfgang Schweinfurth lässt sich nicht leicht entmutigen: Seit 2010 ist er erblindet, doch der 57-jährige meistert seinen Alltag mit Zuversicht. Schweinfurth, der an der seltenen Augenerkrankung Retinitis pigmentosa (RP) leidet, verlor sein Augenlicht nicht von Geburt an, sondern erst im Erwachsenenalter. Diese Diagnose bedeutet eine drastische Umstellung seines Lebens. Dennoch hat er gelernt, sich mit diesen Herausforderungen zu arrangieren. „Mit der Blindheit an sich komme ich klar, was mir jedoch zu schaffen macht, sind die Hürden, die mir von außen in den Weg gelegt werden.“

Ein besonders großes Ärgernis war für ihn lange die Bahnhofstraße in Ober-Olm. Diese viel befahrene Straße auf Höhe der Volksbank konnte Schweinfurth nicht selbstständig überqueren. Zwölf Jahre lang forderte er, die Ampelanlage mit Zusatzeinrichtungen für blinde und seheingeschränkte Menschen auszustatten – doch seine Bitten blieben unerhört.

Erst 2024, nach über einem Jahrzehnt des Wartens und hartnäckigen Engagements wurde die Ampel barrierefrei gestaltet. „Nur eine Gruppierung hat mich ernst genommen und sich für mein Anliegen eingesetzt: die Ober-Olmer Grünen,“ so Schweinfurth. Heute kann er die Straße ohne fremde Hilfe überqueren. Für ihn ist dies nicht nur eine persönliche Erleichterung, sondern ein wichtiges Zeichen für mehr Inklusion und Barrierefreiheit. Die Geschichte der barrierefreien Ampel an der Bahnhofstraße zeigt, wie mühsam der Kampf um Inklusion sein kann – selbst bei einer vergleichsweise kleinen, aber essenziellen Maßnahme. Schweinfurth wandte sich über Jahre an hinweg an verschiedene Behörden, um auf die Notwendigkeit einer behindertengerechten Ampel hinzuweisen. Seine Bitten stießen jedoch auf wenig Erfolg, begleitet von Ratschlägen. „Man hat mir geraten, doch einfach einen Umweg zu laufen. Das zeigt, wie wenig der Inklusionsgedanke bei vielen Menschen noch angekommen ist“ so Schweinfurth. Dabei ist Inklusion ein grundlegendes Menschenrecht, festgeschrieben in der UN-Behindertenrechtskonvention: Sie garantiert allen Menschen die gleichberechtige und selbstbestimmte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben.

Laut Frau Antoinette Malkewitz, Fraktionssprecherin von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Ober-Olmer Gemeinderat, wird Barrierefreiheit in der Praxis oft unzureichend umgesetzt. „Wenn Menschen barrierefrei sagen, denken viele immer nur an Rollstuhlgerechtheit. Blinde, seh- oder höreingeschränkte Menschen werden oft vergessen. Das darf nicht so bleiben. Barrierefreiheit sollte selbstverständlich sein und nicht mehr begründet werden müssen.“

Ein erneuter Vorstoß der Grünen im Gemeinderat im Juni 2024 brachte schließlich Bewegung in die Sache. Gemeinsam mit der ehrenamtlichen Beauftragten für Belange von Menschen mit Behinderung des Landkreises Mainz-Bingen, Yvonne Bless, und dem Landesbetrieb Mobilität (LBM) wurde ein Plan entwickelt, um die Ampel entsprechend umzurüsten. Die Umsetzung erfolgte schneller, als Wolfgang und seine Unterstützer zu hoffen gewagt hatten. Bereits im August 2024 war die neue Ampel mit Zusatzeinrichtungen wie Auffinde- und Überquerungstönen sowie einer taktilen Vibration fertiggestellt. Dies gewährleistet, dass blinde und seheingeschränkte Menschen die Straße sicher überqueren können – ohne Umwege und ohne fremde Hilfe.

Für Schweinfurth ist die Ampelanlage mehr als nur eine praktische Erleichterung: Sie symbolisiert den Erfolg eines langen Kampfes für Teilhabe und Selbstbestimmung. „Ich bin allen Beteiligten sehr dankbar, dass sie sich so engagiert haben“, sagt er. „Besonders in einer Kommune, die den Anspruch hat, inklusiv zu sein, sollte Barrierefreiheit die Regel und nicht die Ausnahme sein.“