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Transcorneale Elektrostimulation bei RP: Bericht über Infoveranstaltung

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Informationsveranstaltung für Studienpatienten zu den Studienergebnissen der transcornealen Elektrostimulation bei Retinitis pigmentosa

Bericht von Dr. Claus Gehrig, FB Diagnose und Therapie der PRO RETINA

Anfang November 2016 hatte die Firma Okuvision (Reutlingen) die Studienpatienten der EST 1- und EST 2-Studien sowie der TESOLA-Anwendungsbeobachtung zu einer Informationsveranstaltung nach Stuttgart eingeladen, bei der die Patienten über die Ergebnisse dieser Studien zur transcornealen Elektrostimulation (TES) bei Retinitis pigmentosa (RP) informiert werden sollten. An diesem Treffen in den Räumlichkeiten des Katharinenhospitals in der Nähe des Stuttgarter Hauptbahnhofes nahmen ca. 40 Patienten, teilweise in Begleitung von Angehörigen, teil.

Zunächst begrüßte Prof. Dr. Florian Gekeler von der Augenklinik am Katharinenhospital die Gäste in seiner Funktion als gastgebender Hausherr und als verantwortlicher "principal investigator" der Studien. Ziel der Veranstaltung sei es, die Zuhörer einerseits über die bisherigen Studienergebnisse zu informieren und Rückfragen zu beantworten und andererseits Anregungen für die Weiterentwicklung des Verfahrens aufzunehmen.

Anschließend stellte Dr. Andreas Schatz, der Erstautor der EST 1- und EST 2-Studien, zusammenfassend die Studienergebnisse und den daraus resultierenden derzeitigen wissenschaftlichen Kenntnisstand dar. Er wurde dabei während der nachfolgenden vertiefenden Aussprache durch Prof. Eberhart Zrenner unterstützt.

Kurzzeitstudie EST 1

In einer ersten placebokontrollierten Kurzzeitstudie (EST 1) wurden 24 Patienten in drei unterschiedliche Gruppen eingeteilt: Kontrollgruppe (mit Scheinstimulation), Stimulationsgruppe mit einer Stimulationsstärke von 66 % des individuellen Schwellenwertes sowie Stimulationsgruppe mit einer Stimulationsstärke von 150 % des individuellen Schwellenwertes. Die Behandlung wurde jeweils einmal pro Woche für 30 Minuten über sechs Wochen durchgeführt, die gesamte Beobachtungsdauer mit Erhebung zahlreicher Messparameter betrug 16 Wochen. Es zeigten sich statistisch signifikante Verbesserungen der Gesichtsfeldfläche und des dunkeladaptierten ERG nur in der mit 150 % des individuellen Schwellenwertes stimulierten Gruppe.

Ergebnisse der EST 2-Studie

In der anschließenden, ebenfalls kontrollierten EST 2-Studie wurden 52 Patienten über einen jetzt längeren Zeitraum ebenfalls in drei Gruppen eingeteilt: Kontrollgruppe mit Scheinstimulation, 2 Stimulationsgruppen mit Stimulationsstärken von diesmal 150 % bzw. 200 % des individuellen Schwellenwertes. Die Behandlung (ebenfalls einmal pro Woche für 30 Minuten) mit Erhebung wiederum zahlreicher Messparameter erfolgte über 1 Jahr. Die Ergebnisse zeigten, so Dr. Schatz, signifikante Verbesserungen im helladaptierten ERG in der mit 200 % des individuellen Schwellenwertes stimulierten Behandlungsgruppe sowie einen positiven Trend (jedoch ohne statistische Signifikanz) bezüglich der Gesichtsfeldfläche. Allerdings wurden diese Ergebnisse bislang noch nicht in einem peer review-Journal veröffentlicht, eine Publikation wird für Anfang 2017 erwartet.

TESOLA-Anwendungsbeobachtung

In der nicht-kontrollierten (also ohne nicht behandelte Kontrollgruppe) TESOLA-Anwendungsbeobachtung konnte die Sicherheit des Verfahrens untermauert werden: außer dem Auftreten eines „trockenen Auges“, das mit Tränenersatzflüssigkeit gut beherrschbar sei, traten im Verlauf der Anwendung keine schwerwiegenden unerwünschten Nebenwirkungen auf. Die beobachteten tendenziell positiven Auswirkungen auf den Visus des stimulierten Auges im Vergleich zum nicht-stimulierten Auge sind derzeit nicht sicher einzuordnen.

Diskussion der Ergebnisse

In der nachfolgenden Aussprache wurden die teilweise widersprüchlich erscheinenden Ergebnisse auch hinsichtlich ihrer Patientenrelevanz thematisiert. Nach Auffassung von Prof. Zrenner deuten die bisherigen Daten in Kenntnis der Heterogenität und des sehr unterschiedlichen Verlaufes einer RP (mit demzufolge starker Streuung der Messwerte) zusammenfassend doch auf eine protektive Wirkung der TES auf die Zapfenfunktion der Netzhaut hin. Allerdings werde es sicherlich mehrere Jahre dauern, bis sich die mit dem ERG beobachteten Verbesserungen der Netzhautfunktion für den behandelten Patienten auch als alltagsrelevanter Vorteil im Vergleich zu nichtbehandelten Personen erkennbar machen.

Weitere Studien über längeren Zeitraum notwendig

Deshalb müsse der patientenrelevante Nutzen der Behandlung in weiteren Studien über einen längeren Zeitraum geprüft werden. Vor diesem Hintergrund hat die Fa. Okuvision sowohl hierzulande beim Gemeinsamen Bundesausschuß (GBA) als auch in den USA bei der amerikanischen Arzneimittelbehörde (FDA) die Durchführung entsprechender Erprobungsstudien beantragt. Deren Beginn ist in Deutschland derzeit durch die noch ungeklärte Kostenverteilung noch nicht konkret absehbar, könnte aber nach Einschätzung des Herstellers Anfang 2018 beginnen.

Volker Hiller von der Marketingabteilung der Fa. Okuvision berichtete danach über die Anstrengungen, die Behandlung interessierten Patienten bundesweit anzubieten. Grundsätzlich ist die TES als Heimbehandlung durch den Patienten selbst konzipiert, aller Erfahrung nach ist aber eine Hilfestellung durch Angehörige oder andere Personen (z. B. ortsansässiger Optiker) erforderlich. Derzeit wird die Behandlung bundesweit in elf Kooperationszentren – Augenkliniken oder Augenarztpraxen – angeboten, wobei es aber insbesondere im norddeutschen Bereich noch weitere Kooperationszentren aufzubauen gelte. Sofern die vom Hersteller beim GBA beantragte kontrollierte Erprobungsstudie realisiert wird, werden für die an dieser Studie teilnehmenden Patienten die Behandlungskosten vom GBA bzw. den Krankenkassen getragen.

In seinen sehr persönlichen Abschlussworten betonte der Geschäftsführer der Fa. Okuvision Reinhard Rubow, wie wichtig diese Informationsveranstaltung sowie die enge Verbindung zu den Patienten bzw. den Patientenorganisationen für die weitere Motivation und die Weiterentwicklung der Methode in seiner Firma sei. Von den anwesenden Studienteilnehmern wurde diese Form der Information über die bisherigen Studienergebnisse und den aktuellen Kenntnisstand sehr begrüßt und der angenehme, quasi familiäre Charakter der Veranstaltung hervorgehoben.

Nachtrag

Wenn die Ergebnisse der EST 2 – Studie, wie angekündigt demnächst in einem anerkannten peer review-Journal publiziert sind, wird auch der Arbeitskreis Klinische Fragen (AKF) der PRO RETINA seine Stellungnahme zur TES vor dem Hintergrund der verfügbaren wissenschaftlichen Datenlage aktualisieren.

Autor: Dr. Claus Gehrig, Fachbereich Diagnose und Therapie, PRO RETINA Deutschland e. V.