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Usher-Syndrom: Neue Einblicke in Pathologie

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Erstaunliche neue Einblicke in die Pathologie des Usher-Syndroms

Das Usher-Syndrom ist die häufigste Form erblich bedingter Taub-Blindheit. Betroffene können bereits von Geburt an taub sein, können an Gleichgewichtstörungen leiden und mit dem weiteren Fortschreiten der Krankheit ihr Augenlicht verlieren. Die Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Uwe Wolfrum vom Institut für Molekulare Physiologie der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) arbeitet seit rund 25 Jahren an der Erforschung des Usher-Syndroms. Sein Team hat nun in Kooperation mit der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Reinhard Lührmann am Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie in Göttingen einen neuen Pathomechanismus entdeckt, der zum Usher-Syndrom führt. Sie fanden heraus, dass das Usher-Syndrom-1G-Protein SANS eine maßgebliche Rolle bei der Regulation im Splicing-Prozess spielt. Des Weiteren konnten sie zeigen, dass Defekte im SANS-Protein zu Fehlern im Spleißen von Genen führen, die mit dem Usher-Syndrom in Verbindung stehen, und dass dadurch möglicherweise die Erkrankung ausgelöst wird. Als Spleißen bzw. Splicing (englisch splice ‚miteinander verbinden', ‚zusammenkleben') wird ein wichtiger Schritt der Weiterverarbeitung der Ribonukleinsäure (RNA) bezeichnet, der im Zellkern stattfindet und bei dem aus der prä-mRNA die reife mRNA entsteht.

Rolle von SANS bei der Erblindung bislang noch wenig bekannt

„Wir versuchen, die molekularen Hintergründe aufzuklären, die zur Degeneration der lichtempfindlichen Photorezeptorzellen im Auge bei der Erkrankung am Usher-Syndrom führen“, erklärt Uwe Wolfrum zu den Forschungsarbeiten. Bei einer Erkrankung am Usher-Syndrom kann der Gehörverlust mit Cochlea-Implantaten kompensiert werden, bislang gibt es jedoch keine Therapien gegen die Erblindung. Für die aktuelle Untersuchung spielt eines der Usher-Syndrom-Proteine, nämlich das USH1G-Protein mit der Bezeichnung SANS die zentrale Rolle. SANS ist aus vorangegangenen Studien der Arbeitsgruppe als Gerüstprotein bekannt. SANS verfügt dafür über mehrere Strukturbereiche, an die andere Proteine andocken können, was die korrekte Zellfunktion gewährleistet. Mutationen im USH1G/SANS-Gen führen zu Fehlfunktionen der auditiven und vestibulären Haarzellen im Innenohr und der Photorezeptorzellen der Netzhaut, die für die sensorischen Defizite von Usher-Syndrom-Patienten verantwortlich sind.

Über die Rolle von SANS im Auge ist wenig bekannt. „Bisher haben wir gedacht, dass SANS als Gerüstmolekül an Transportprozessen im Zellplasma beteiligt ist“, sagt Wolfrum. „Aber jetzt haben wir entdeckt, dass SANS mit Splicing-Faktoren interagiert und dadurch das Spleißen von prä-RNA reguliert.“

„Nun haben wir überraschenderweise gefunden, dass SANS auch im Zellkern aktiv ist und dort den Splicingprozess modulieren kann“, beschreibt Wolfrum die Forschungsergebnisse. Die Abwesenheit von SANS und pathogene Mutationen des USH1G/SANS-Gens verhindern den korrekten Zusammenbau wichtiger Zellbestandteile und damit nachfolgend weitere Aktivierungsschritte. Dies unterbindet das korrekte Spleißen von anderen Usher-Syndrom-relevanten Genen und dürfte schlussendlich zu deren Dysfunktion und somit zur Erkrankung führen. „Wir liefern den ersten Hinweis, dass eine Dysregulation des Spleißens an der Pathophysiologie des Usher-Syndroms beteiligt ist“, fassen die Autoren ihre Forschungsergebnisse zusammen. Neben den neuen Erkenntnissen zum Splicing-Mechanismus wurden auch neue Ziele identifiziert, die für eine zukünftige Behandlung und Therapie des Usher-Syndroms genutzt werden könnten.

Originalpublikation: Adem Yildirim, Sina Mozaffari-Jovin et al.:SANS (USH1G) regulates pre-mRNA splicing by mediating the intra-nuclear transfer of tri-snRNP complexes. Nucleic Acids Research, 22. Mai 2021.

Quellen: idw-online.de vom 23.06.2021; Presseinformation der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz