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Was ist eigentlich eine Gentherapie?

von Dr. Sandra Jansen

Der Begriff Gentherapie ist momentan in der Medizin allgegenwärtig. Die Gentherapie ist ein völlig neuer Therapieansatz für Patientinnen und Patienten. Lange hat es gedauert, doch nun wurde auch in der Augenheilkunde ein Gentherapeutikum zugelassen. Mehrere Therapeutika sollen demnächst folgen. Aber was ist eigentlich eine Gentherapie?

Die Idee hinter einer Gentherapie ist bestechend einfach: Vielen Krankheiten liegt ein einziger Gendefekt zugrunde, der das entsprechende Protein funktionslos macht. Das könnte bei Menschen mit einer Netzhauterkrankung ein Protein im Sehprozess sein, welches zu einer Sehbeeinträchtigung führt. Ersetzt man das fehlerhafte Gen durch ein intaktes, versetzt man die Zellen wieder in die Lage, das Protein korrekt zu produzieren. Der Grundsatz lautet also reparieren statt lindern, da man die Ursache der Erkrankung beseitigt. Allerdings muss man bedenken: Einmal abgestorbene Sehzellen können nicht reaktiviert werden, weswegen eine Gentherapie möglichst früh begonnen werden sollte. In der Augenheilkunde gibt es zwei Ansätze der Gentherapie. Zum einen kann das Einsetzten eines „gesunden fremden“ Gens hauptsächlich mit Hilfe von Viren in die Netzhaut erfolgen. Andererseits nutzt man das Schneiden körpereigener defekter Gene durch die Genschere CRISP/Cas9.

Virale Vektoren als „Gentaxi“

Bei der Gentherapie nutzt man Viren als „Gentaxi“ oder „Genfähre“ um das defekte Gen zu reparieren. Die Viren selber lösen keine Erkrankung aus. Ihnen wurde ihr eigenes Genmaterial entfernt, damit sie ihre krankmachenden Eigenschaften verlieren. Die genetisch veränderten Viren werden zuerst mit dem Patienten fehlenden, korrekten Gen beladen. Über eine Spritze werden die Viren dann in den subretinalen Raum zwischen Netzhaut und Aderhaut injiziert. Die korrekte genetische Information wird in die erkrankten Zellen eingebracht und der bisher fehlerhafte Prozess, in der Augenheilkunde der Sehprozess, in der Zelle korrigiert. Für Betroffene mit einer biallelischen Genmutation im RPE65 Gen (von Vater und Mutter geerbt) steht seit 2018 der Wirkstoff Voretigen Neparvovec als zugelassenes Medikament zur Verfügung. Voraussetzung ist das Vorhandensein von ausreichend lebensfähigen Netzhautzellen.

CRISPR Cas9-die Genschere

Das CRISPR/Cas-Verfahren stellt für die gesamte Biotechnologie eine Revolution dar. „Die Erfinderinnen“ von CRISPR/Cas erhielten 2020 für ihre Arbeit den Nobelpreis in Chemie. Der Begriff Genschere drückt direkt aus, wie das neue Verfahren funktioniert. Die CRISPR/Cas9-Methode beruht auf einem angepassten Abwehrmechanismus von Bakterien. Bakterien benutzen diesen Mechanismus, um fremde Erbsubstanz, z.B. von gefährlichen Viren, zu orten und zu zerschneiden. Durch diese Abwehr bauen Bakterien eine Art "Erinnerung" auf, damit die Abwehr bei wiederholten Infektionen schneller geschehen kann. Gegenüber der viralen Gentherapie ist CRISPR/Cas erheblich vielseitiger. Körpereigene DNA Abschnitte können an bestimmten Stellen präzise geschnitten werden. Wissenschaftler können so eigene Gene ausschalten oder an bestimmter Stelle wieder hinzufügen.

Erste Studie mit Patientinnen und Patienten einer erblich bedingten LCA (Lebersche Congenitale Amaurose) mit einem Defekt im CEP290 Gen laufen bereits. Diese Studie endet voraussichtlich 2024.

Aber generell gilt: Für die neuen Gentherapien fehlen naturgemäß Langzeitdaten zur Effizienz und Sicherheit. Vieles kann man im Labor vorab testen, manche Wirkung zeigt sich erst in den klinischen Studien. Besonders späte Effekte werden womöglich erst nach der Zulassung beobachtet. Daher gilt es, bei völlig neuen Ansätzen behutsam vorzugehen.