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Yoga für sehbehinderte und blinde Menschen

Auf die Qualität der Anleitung kommt es an

Von Redakteurin Christiane Bernshausen, erschienen in der Retin aktuell Nr. 167

Yoga lässt sich in seiner Vielfalt nur schwer beschreiben. Es ist eine aus Indien stammende traditionelle philosophische Lehre, die viele körperliche und geistige Übungen und Praktiken beinhaltet. Yogaübungen umfassen heute einen ganzheitlichen Ansatz, der Körper und Geist in Einklang bringen soll.

Tatsache ist, dass die Muskulatur durch die Übungen gestärkt, gedehnt und besser durchblutet wird. Die Körperhaltung verbessert sich, eine bewusste Atmung stellt sich ein, ebenso ein positiver Effekt auf chronische Schmerzen. Durch Meditation und Entspannungseinheiten wird ein guter Ausgleich zwischen Körper und Geist geschaffen.

Mitunter sind Yogaübungen sehr, sehr anstrengend. Praktizierende sind überzeugt, dass ihnen die Übungen guttun und sich positiv auf ihre Lebensenergie auswirken. Wenn die Anleitung von einer erfahrenen Yogalehrerin oder einem erfahrenen Yogalehrer kommt, kann jede und jeder Yoga im Rahmen der eigenen Fähigkeiten ausüben.

Nach einem Bandscheibenvorfall vor einigen Jahren kam Bruni aus Schleswig zum Yoga. Die Freude an den Übungen und die überaus positive Wirkung auf ihre Gesundheit führten dazu, dass sie sich zur Yogalehrerin ausbilden ließ. Das Besondere: Bruni selbst ist von einer Seheinschränkung betroffen und weiß daher sehr genau, wie sie insbesondere ihre sehbe-hinderten und blinden Teilnehmerinnen und Teilnehmer anleiten muss und welche Hilfe- stellungen und Korrekturen benötigt werden.

Bruni, vor einigen Jahren bist Du durch gesundheitliche Probleme zum Yoga gekommen. Wie hat sich Yoga auf Deine Gesundheit und auf Dein Wohlbefinden ausgewirkt?

Nach meinem Bandscheibenvorfall hieß es, besonders im Wirbelsäulenbereich präventiv zu arbeiten, Bauch- und Rückenmuskulatur aufzubauen. Über eine Freundin kam ich zu einem Yogakurs, der sogar von der Krankenkasse bezuschusst wurde. Die zertifizierte Yogalehrerin stellte sich auf meine Sehbehinderung ein und beschrieb sehr genau, wie die Yogaübungen ausgeführt werden sollten. Heute bin ich immer noch bei der gleichen Yogalehrerin einmal pro Woche im Kurs und übe Yoga mit Begeisterung aus. Ich habe heute keine Rückenprobleme mehr und bin physisch und psychisch gestärkt und ausge- glichener.

Nach einigen Jahren reifte dann bei Dir der Entschluss, die Ausbildung zur Yogalehrerin "im Tandem“ zu beginnen. Wie funktioniert dieses Konzept?

Ich habe früher schon immer sehr viel Sport gemacht und es auch als Unterrichtsfach auf Lehramt studiert, bin aber durch die progrediente (fortschreitende) Netzhauterkrankung Retinitis pigmentosa (RP) etwas ausgebremst worden. Beim Yoga fand ich eine super Möglichkeit für mich, wieder stärker in den sportlichen Bereich zurückzukehren. Es bringt mir unheimlich viel Spaß, sodass ich mich intensiver mit Yoga beschäftigen wollte. Bei guter Beschreibung kann man blind ohne Orientierungsprobleme folgen. Oft regt zum Beispiel meine Yogalehrerin für die ganze Gruppe sehender Teilnehmerinnen und Teilnehmer an, die Übungen mit geschlossenen Augen zu machen, da man sich so besser auf sich konzentrieren kann. Nachdem ich bei einer anderen Yogaschule einwöchige Yogawochen für sehbeeinträchtigte Teilnehmende belegt hatte, fragte ich die Lehrerin, die gleichzeitig auch Yoga-Ausbilderin ist, ob ich mit meiner Sehbehinderung eine Ausbildung machen könnte. Sie motivierte und unterstützte mich sehr und ermutigte mich dazu. Daneben konnte ich eine sehende Freundin dafür gewinnen, diese Ausbildung zeitgleich mit mir zu machen. Daraus entstand die Idee, später im Tandem Kurse auch für größere Gruppen anzubieten. Ich übernehme dann die Ansagen und zeige die Übungen und meine Tandempartnerin unterstützt und korrigiert die Teilnehmenden. So haben wir vor Ort ein Angebot geschaffen, das eben auch sehbeeinträchtigte Menschen in der Gruppe nutzen können.

Was sagst Du Betroffenen, damit sie Yoga für sich entdecken?

Yoga ist eine tolle Möglichkeit, Körper, Geist und Lebensenergie zu stärken und in Ausgleich zu bringen. Man muss natürlich den Yogalehrkräften genau erklären, wie sie beschreiben müssen, damit man allen Übungen folgen kann. Für viele Yogalehrkräfte ist das überhaupt kein Problem und sie empfinden es als Bereicherung, noch mehr Wert auf präzise Beschreibungen zu legen. Jeder, der Interesse hat und nicht sofort die richtigen Bedingungen vorfindet, sollte sich nicht entmutigen lassen.

Für Interessierte, die lieber zuhause üben, gibt es zahlreiche Onlineangebote. Diese bieten den Vorteil, dass zum Beispiel im Rahmen eines Zoom-Meetings eine gewisse Kontrolle möglich ist und die Teilnehmenden so bei der Ausführung der Übungen korrigiert werden können. Darüber informiert der Arbeitskreis Sport der PRO RETINA.

Bei Anruf Yoga

Eine Frau in SPortkleidung sitzt auf einer Yogamatte. Sie hat die Beine schräg nach oben gestreckt, die Arme parallel zum Boden gehoben.
Bei Anruf Yoga (© Pexels/ Mikael Blomkvist)

Einen anderen Weg hat Andrea Brillaut gewählt. Sie bietet als seheingeschränkte Yogalehrerin Kurse in Telefonyoga an. Dieses Angebot spricht zum Beispiel Zielgruppen an, die weniger technikaffin sind, in ihrer Nähe kein passendes Studio finden können oder Wert darauf legen, die Übungen unbeobachtet auszuführen.

Wie sind Sie zum Yoga gekommen und seit wann arbeiten Sie als Yogalehrerin?

Yoga begleitet mich bereits sehr lange. Schon in jungen Jahren habe ich mich intensiv mit Psychologie, Spiritualität und Meditation befasst. Wie es so oft im Leben passiert, waren es tatsächlich gesundheitliche und familiäre Krisenzeiten, die mich bewogen haben, Grundsätzliches in meinem Leben zu verändern. Ich war damals als Sprachdozentin und Übersetzerin tätig, was jedoch mit meiner zunehmenden Seheinschränkung immer schwieriger wurde. Ich habe dann meine Ausbildung zur Yogalehrerin gemacht sowie eine darauffolgende dreijährige psychotherapeutische Ausbildung. Seit 21 Jahren begleite ich nun als Yogalehrerin und Therapeutin Menschen auf ihrem persönlichen Weg zu Wandel, Wachstum und Entfaltung.

Wie entstand der Gedanke, Yoga über das Telefon anzubieten?

Wiederum wuchs dieser Gedanke aus einer Krise heraus. Die Pandemie betraf mich als Selbstständige insofern, als dass ich meine Kurse monatelang nicht abhalten durfte. Um meine Yogaschülerinnen und -schüler trotzdem weiter begleiten zu können, habe ich begonnen, Yoga am Telefon anzubieten, was erstaunlich gut funktionierte. Daraus entstand die Idee, Telefonyoga und Beratung auch anderen Menschen zu ermöglichen, zunächst im Rahmen der Fachgruppe Soziale Berufe des DVBS (Deutscher Verein der Blinden und Sehbehinderten in Studium und Beruf e. V.), wo wir mit einigen Schnupperstunden als Kleingruppe begonnen haben.

Worin liegt der Unterschied für Sie im Vergleich zum Yogakurs in Präsenz?

Der größte Unterschied liegt darin, dass ich in meinen Präsenzkursen die Übungen nicht nur anleite, sondern natürlich auch vormache. Das Telefonyoga fordert von mir in besonderem Maße Intuition, Einfühlungsvermögen sowie sprachliche Klarheit und Präzision – letztendlich die Qualitäten, die wir in der Achtsamkeits- und Yogapraxis grundlegend schulen.

Weitere Informationen: www.yogaschule-kenzingen.de/yoga-transpersonale-psychologie, www.integrale-yogatherapie.de/home

Fragen beantwortet der AK Sport der PRO RETINA per E-Mail an sport@pro-retina.de. Der Arbeitskreis stellt auch gern den Kontakt zu den Anbieterinnen her.