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Zukunftsweisend: Die künstliche Netzhaut für RP-Patienten

Zukunftsweisend:
Die künstliche Netzhaut für RP-Patienten 
PRO RETINA Deutschland e. V. informierte in Köln über Chancen und Risiken von Netzhautimplantaten


In Deutschland leiden rund 30.000 bis 40.000 Menschen an der erblichen Netzhauterkrankung Retinitis Pigmentosa (RP). Im Krankheitsverlauf engt sich das Gesichtsfeld immer weiter ein, und es entsteht zunehmend eine Art „Tunnelblick“. Oft steht am Ende die völlige Erblindung. Denn eine Heilung ist bislang nicht möglich. Hoffnung macht hier jetzt eine neue künstliche Netzhaut. Erstmals ist in Deutschland eine kommerziell erhältliche Retinaprothese für Patienten mit Netzhautdegenerationen wie die RP verfügbar.

Am 24. Oktober informierte die PRO RETINA Deutschland e. V. – Selbsthilfevereinigung von Menschen mit Netzhautdegenerationen – im Filmhaus des Museums Ludwig in Köln in einem Patientensymposium über die Chancen und Risiken der künstlichen Netzhaut.

Beeindruckende Ergebnisse
Die in Deutschland neu eingeführte Prothese Argus II ist ein implantierbares Gerät der zweiten Generation der Firma Second Sight Medical Products, Inc. aus den USA. In klinischen Vor-Studien in den USA und Europa zeigten sich bei blinden Patienten beeindruckende Verbesserungen der Sehfunktion. So konnten sie zum Beispiel Objekte und teilweise sogar Buchstaben wieder erkennen und ihre Orientierungs- und Mobilitätsfähigkeit verbesserte sich. Bei dem Implantat handelt es sich um eine Prothese, die operativ in das Auge eingesetzt wird und aus einer Antenne, einem Computerchipgehäuse und einer Elektrodenmatrix besteht.

Das System wandelt Videobilder, die über eine Miniatur-Videokamera in der Brille des Patienten aufgenommen werden, in eine Serie von elektrischen Impulsen um, die drahtlos an die Elektrodenmatrix auf der Oberfläche der Retina (epiretinal) übermittelt werden. Die verbleibenden Zellen der Netzhaut werden durch die Impulse stimuliert, und dadurch werden entsprechende Lichtmuster vom Gehirn wahrgenommen. Die Patienten lernen anschließend, die visuellen Muster zu interpretieren, und erlangen so einen gewissen Grad an funktioneller Sehfähigkeit.

Argus II ist für die Verwendung im Europäischen Wirtschaftsraum (CE-Kennzeichnung) zugelassen. Die ersten Zentren in Deutschland, in denen Argus II angeboten wird, sind die Uniklinik Köln und das Klinikum rechts der Isar in München. Für die Patienten ist die Implantation kostenlos, da die Operation im Rahmen des NUB-Verfahrens von Krankenkassen übernommen wird. NUB steht für Neue Untersuchungs- und Behandlungsverfahren und regelt die Einführung medizintechnologischer Innovationen.

„Bislang gab es keine wirkungsvolle Therapie der Retinitis Pigmentosa. Wir freuen uns sehr, dass wir mit Argus II unseren Patienten jetzt eine in klinischen Studien bewährte Therapiemöglichkeit anbieten können“, sagte Prof. Dr. Bernd Kirchhof, Direktor der Abteilung für Netzhaut- und Glaskörperchirurgie am Zentrum für Augenheilkunde der Uniklinik Köln. „Für mich als Augenarzt und Chirurg ist es sehr aufregend, an der Spitze der Anwendung neuer, bahnbrechender Therapien dabei zu sein.“

Implant-Projekte in Deutschland
Auch in Deutschland werden derzeit verschiedene Ansätze zu Netzhautimplantaten entwickelt. Sie unterscheiden sich vor allem durch die Positionierung des Implantats an der Netzhaut: In dem sogenannten epiretinalen Verfahren, das auch bei Argus II zum Einsatz kommt, befindet sich das Implantat auf der Oberfläche der Netzhaut. Die durch eine Videokamera in der Brille aufgenommenen Bilder werden in einen Code umgerechnet, die an das Implantat übermittelt werden. Bei dem subretinalen Verfahren wird dagegen ein Chip unterhalb der Netzhaut eingesetzt. Er kommt also genau an der Stelle der Netzhaut zum Einsatz, an der sich bei gesunden Menschen die lichtempfindlichen Sinneszellen befinden. Somit wird das natürliche Informationsverarbeitungsnetzwerk der Netzhaut genutzt. Das epiretinale Verfahren wird verfolgt von einem Team um Prof. Dr. Peter Walter von der Universitäts-Augenklinik Aachen und von der Firma IMI Intelligent Medical Implants GmbH in Bonn. Das subretinale Projekt wird von der Universitäts-Augenklinik Tübingen und der Retina Implant AG unter der Leitung von Prof. Dr. Eberhart Zrenner entwickelt. PRO RETINA hat die Entwicklung der Retina-Implant-Projekte seit Mitte der 90er Jahre unterstützt.

Auf dem Patientensymposium der PRO RETINA Deutschland e. V. stellten Vertreter der verschiedenen Ansätze die technischen Entwicklungen im Bereich der künstlichen Netzhaut vor und boten den Besuchern so einen Überblick über die Möglichkeiten und Risiken dieser vielversprechenden Innovationen. Außerdem berichteten zwei Patienten, die bereits im Rahmen von klinischen Studien Netzhautimplantate eingesetzt bekommen haben, über ihre persönlichen Erfahrungen. Zum einen war ein Patient aus Manchester vor Ort, der das Implantat Argus II unter der ärztlichen Betreuung von Prof. Dr. Paulo Stanga vom Manchester Royal Eye Hospital nutzt, sowie ein Patient aus Freiburg, der den subretinalen Netzhautchip der Retina Implant AG unter der Leitung von Prof. Dr. Eberhart Zrenner implantiert bekommen hat.

Das Sehvermögen, das durch die Netzhautprothesen wiederhergestellt werden kann, entspricht jedoch nicht der Sehfähigkeit, die vor einer Erblindung bestand. Die durch die neue Prothese Argus II ermöglichte Sehfähigkeit kann beispielsweise als „etwas pixeliges“ Sehen beschrieben werden, das sich aus Punkten zusammensetzt, die im Idealfall 20 Grad des mittleren Gesichtsfeldes abdecken. Das entspricht in etwa einem 30-Zentimeter-Lineal, das eine Armlänge vom Körper entfernt ist.

Steigerung der Lebensqualität
Für blinde Patienten könnten solche Aussichten jedoch eine wichtige Steigerung ihrer Lebensqualität bedeuten, wie Dr. Claus Gehrig, Vorstandsvorsitzender der PRO RETINA Deutschland e. V., beschreibt: „Für Patienten mit Retinitis Pigmentosa sind alle Forschungs- und Entwicklungsbemühungen, die dazu führen, verlorengegangenes Sehvermögen zumindest teilweise wiederherzustellen, von großer Bedeutung und spenden Hoffnung. Für Betroffene ist es entscheidend, dass dabei praktische Fähigkeiten für den Alltag zurückgewonnen werden können. Wir befinden uns noch am Anfang der Benutzung der Retinaprothese durch Patienten, wir setzen jedoch große Erwartungen in die Weiterentwicklung. Die Verbesserung der Orientierungs- und Mobilitätsfähigkeit sowie der Fähigkeit, Menschen und Objekte visuell wahrzunehmen, würde zu einer erheblichen Steigerung der Lebensqualität blinder Menschen mit Retinitis Pigmentosa beitragen.“

 

Retinitis Pigmentosa
Retinitis Pigmentosa ist eine erbliche Netzhautdegeneration, die durch Störungen verschiedener Gene ausgelöst wird. Die Zerstörung der Netzhaut beginnt im Außenbereich und setzt sich schleichend in Richtung Augenzentrum fort. Es entsteht der sogenannte Tunnelblick. Die Krankheit zerstört zuerst die Stäbchenzellen der Netzhaut, die das Sehen in der Dämmerung und bei Nacht ermöglichen. So kommt es oft zunächst zu Schwierigkeiten beim Dämmerungssehen und zu Nachtblindheit. Später kann durch die weitere Schädigung der Zapfenzellen das Sehvermögen vollständig verloren gehen. Eine Heilung ist bislang nicht möglich.

Die PRO RETINA Deutschland e. V.
Die PRO RETINA ist eine bundesweit tätige Selbsthilfevereinigung von Menschen mit Netzhautdegenerationen mit derzeit rund 6.000 Mitgliedern und circa 50 Regionalgruppen. Sie bietet Informationen und Beratung und versteht sich als Interessenvertretung der Patienten in der Öffentlichkeit. Über ihre Stiftung engagiert sich PRO RETINA auch in der Forschungsförderung. Mehr Infos unter: www.pro-retina.de

 

Ansprechpartnerin für Rückfragen der Presse:
Kerstin Philipp, Pressereferentin,
Tel.: (02 41) 87 00 18, kerstin.philipp@pro-retina.de