Möchten Sie die Darstellung der Website ihren persönlichen Bedürfnissen anpassen?
Die Einstellungen können Sie auch später noch über das Symbol ändern.

Zum Inhalt springen
Lena nach Ausstieg aus dem Wasser. Sie trägt einen Neoprenanzug.
Lena nach Ausstieg aus dem Wasser. Sie trägt einen Neoprenanzug.
Lena in der Wechselzone. Abstieg vom Rad um die letze Disziplin Laufen zu absolvieren.
Lena in der Wechselzone. Abstieg vom Rad um die letze Disziplin Laufen zu absolvieren.
Lena auf der Laufstrecke gemeindam mit ihrem Guide.
Lena auf der Laufstrecke gemeindam mit ihrem Guide.
Siegerehrung auf dem Treppchen mit Lena, Elli und Michelle
Siegerehrung auf dem Treppchen mit Lena, Elli und Michelle

 

Liebe Lena, es ist großartig, Dich hier zu haben. Du bist nicht nur eine
erfolgreiche Para-Triathletin, sondern auch ein Vorbild für viele Menschen
mit einer Seheinschränkung. Erzähl uns doch davon, wie du zum Triathlon
gekommen bist.

Auch von mir herzliche Grüße an Dich, liebe Anne, und auch an die
Leserinnen und Leser. Vielen Dank für die Einladung. Der Sport ist mir
quasi in die Wiege gelegt worden, weil meine Eltern schon immer sehr
sportlich waren. Meine Mutter macht schon seit 1992 Triathlon und wurde
damals gebeten, eine Trainingsgruppe mit Kindern in meinem Alter zu
übernehmen. Als hauptverantwortliche Trainerin dieser Gruppe konnte sie
meine zweieinhalb Jahre jüngere Schwester und mich fortan ins
Trainingsgeschehen einbinden. Damals war ich fünf Jahre alt und seither
trainiere ich beim TSV Amicitia Viernheim in der Triathlon-Abteilung.
Erinnere Dich an Deinen ersten Triathlon. Wie hast du Dich dabei gefühlt
und welche Herausforderungen sind Dir begegnet?

Da muss ich jetzt echt ein bisschen graben (lacht). Mein erster Triathlon –
das war im August 2004. Es handelte sich um den Viernheimer V-Card-
Triathlon, ein Heimrennen also. Ich bin damals mit meinem Vater als
Guide gestartet und ich weiß noch, dass ich darauf bestand, meine Puppe
im Fahrradsitz am Lenker mitzunehmen. Da wir vorher im Training die
Abläufe eines Triathlons oft als Generalproben durchgeführt hatten, war
ich auch nicht sonderlich nervös. Ich bin damals mit nicht-behinderten
Athletinnen und Athleten gestartet und es wurde dann immer vor dem
Schwimmen auf unserer Bahn eine Ansage gemacht, dass ich auf einer
Seite an der Leine entlang schwimme und nicht wie alle anderen im
Kreisverkehr rotiere. Das ist eigentlich die einzige Besonderheit oder
Herausforderung, an die ich mich erinnern kann.
Wie oft trainierst Du in der Woche und wie sieht ein typischer Trainingstag
für Dich aus?

Ich trainiere eigentlich nach wie vor fast täglich, denn ich brauche das als
Ausgleich zum Alltag. Als ich noch strikt nach Plan trainiert habe, standen
teilweise bis zu 25 Wochenstunden auf dem Programm. Inzwischen sind
es ungefähr zehn bis fünfzehn Wochenstunden. Aktuell gestalte ich mein
Training sehr dynamisch und flexibel, denn wenn beispielsweise ein Guide
spontan Zeit für eine Radausfahrt oder einen Lauf hat, tausche ich solche
Einheiten dann auch sehr gerne gegen eine, die ich auch alleine
absolvieren kann. In der Regel schaue ich, dass ich momentan zwei bis
drei Mal wöchentlich schwimme, ein bis zwei Mal pro Woche laufe und
mindestens eine Radeinheit absolviere. Hinzu kommen noch ein bis zwei
wöchentliche Einheiten zur Dehnung, Mobilisation und zur Förderung der
Körperstabilität. Beim Laufen brauche ich immer einen Guide. Das
Radtraining erfolgt entweder mit Guide auf dem Tandem oder alleine auf
dem Hometrainer. Das Schwimmtraining im Becken kann ich theoretisch
auch alleine absolvieren. Allerdings ist es schon besser, wenn ich dabei
beobachtet werde, damit die Ausführung meiner Kraultechnik korrigiert
werden kann. Ähnlich verhält es sich auch mit dem Stabi-Training: Es gibt
inzwischen einige Übungen, die ich nahezu fehlerfrei ausführen kann,
aber es ist immer besser, wenn noch jemand drüberschaut. Beim
Schwimmen im See brauche ich immer eine Unterstützung. Typische
Trainingstage gibt es nicht wirklich, aber die durchschnittliche
Trainingszeit pro Tag beläuft sich in etwa auf zwei Stunden. Beim
Radfahren können es schon auch Mal drei bis vier Stunden werden. In der
Regel ist es so, dass meine Guides mich entweder zu Hause abholen oder
wir uns an einer nahegelegenen Trainingsstätte treffen, zu der ich auch
alleine finde.
Wie wichtig ist die Rolle Deines Guides für Deinen Erfolg im Triathlon? Was
sind die wichtigsten Eigenschaften, die ein guter Guide haben sollte?

Meine Guides spielen sowohl im Training als auch während der Rennen
eine zentrale Rolle, weil ich ohne sie keine Wettkämpfe bestreiten könnte
und somit auch keine Erfolge erzielen könnte. Für mich ist es sehr
wichtig, dass mir meine Guides auf Augenhöhe begegnen und natürlich
muss ich mich im Training oder beim Wettkampf voll und ganz auf sie
verlassen können. Weiterhin ist mir sehr daran gelegen, dass wir
gemeinsame Entscheidungen bezüglich der Teilnahme an Wettkämpfen
und Trainingseinheiten treffen. Außerdem begrüße ich es sehr, wenn mir
meine Guides immer offen und ehrlich ihre Meinung sagen. Sie sollten
sich keinesfalls scheuen, bei Unstimmigkeiten auf mich zu zu kommen,
um Kritik zu üben.
Wie bereitest Du Dich mental auf Wettkämpfe vor? Hast Du spezielle
Techniken oder Strategien, die Dir helfen, fokussiert zu bleiben?

Für meine mentale Verfassung ist es enorm wichtig, dass sich in den
Tagen vor dem Rennen nicht alles nur um den Sport dreht, sondern auch
noch andere Aktivitäten Platz in meinem Alltag finden. Dazu zählen
beispielsweise Aktivitäten mit meiner Familie sowie mit meinen
Freundinnen. Wenn die Anfahrt zu einem Rennen länger dauert, mache
ich auch gern auf der Fahrt etwas für die Uni, lese ein Buch oder höre
Musik. Trotz dieser „Ablenkungsmanöver“ ist eine ausgiebige Vorbereitung
natürlich wichtig und ich lege Wert auf einen strukturierten Ablauf am
Wettkampftag.
Was sind die größten Herausforderungen, mit denen Du als blinde Athletin
konfrontiert bist, und wie überwindest Du sie?

Als ich noch international aktiv war und noch strikt nach Plan trainierte,
war es eine große Herausforderung, immer einen Guide zu finden, um den
vorgegebenen Rahmentrainingsplan exakt realisieren zu können. Zudem
musste natürlich auch die Trainings- und Wettkampfausstattung
angeschafft werden, wie beispielsweise ein Renntandem. Bislang habe ich
das Glück, dass meine Eltern mich unterstützen und ich für jedes Rennen
einen Guide finden konnte. Beim Training ist es inzwischen etwas
entspannter, da ich nicht mehr ganz so streng nach Plan trainiere. Jedoch
habe ich auch hier das Glück, regelmäßig einen Rad- bzw. Laufguide an
meiner Seite zu haben.
Gibt es einen bestimmten Wettkampf oder eine besondere Leistung, auf
die Du besonders stolz bist? Was hat diesen Moment für Dich so
besonders gemacht?

Für mich ist eigentlich jedes Rennen ein einzigartiges und besonderes
Erlebnis und ich bin immer erleichtert, wenn mein Guide und ich die
Ziellinie verletzungsfrei überqueren. Wenn dann noch die Leistung stimmt
und wir Erfolg hatten, ist das natürlich umso schöner. Ein besonderes
Erlebnis war sicherlich die Erstaustragung der Deutschen Meisterschaft im
Mixed Relay im Rahmen der Finals in Berlin 2021, auch weil das damals
meine erste Staffel bei einem Triathlon war. Deshalb war ich auch im
Vorfeld ziemlich angespannt, denn ich hatte ja auch eine Verantwortung
im Team und nicht nur für mich als einzelne Athletin. Gleichzeitig war
dieser Triathlon auch der erste nach der langen coronabedingten
Rennpause. Eine weitere neue Besonderheit damals für mich war die
Übertragung im ZDF-Livestream, denn dadurch konnten viel mehr
Menschen zuschauen. Das empfand ich zuerst als eine enorme
Drucksituation. Umso schöner war es dann, im Ziel zu erfahren, dass
unser Team Gold geholt hatte.
Liebe Lena, Du bist junge 27 Jahre alt und hast schon viele Erfolge
errungen. Gibt es bestimmte Wettkämpfe oder Meisterschaften, die Du
noch unbedingt erreichen willst?

Inzwischen bin ich nicht mehr ganz so ehrgeizig, was den Sport
anbelangt, denn ich habe vor rund drei Jahren meine internationale
Karriere ad acta gelegt, um mich mehr auf meinen beruflichen Werdegang
konzentrieren zu können. Auch habe ich gemerkt, dass ich mental nicht
mehr bereit bin, die Leistung zu bringen, die es bedarf, wenn man ganz
vorne dabei sein möchte, um auch zum Beispiel an den Paralympics
teilzunehmen. Ich plane aber weiterhin damit, auch im kommenden Jahr
wieder am Para Cup der Deutschen Triathlon Union teilzunehmen und
hoffe, noch lange Spaß an der Bewegung zu haben.
Uns seheingeschränkten Menschen begegnet man oft mit Vorurteilen.
Welche Vorurteile oder Missverständnisse über blinde Sportlerinnen und
Sportler würdest du gern aus dem Weg räumen?
Ehrlich gesagt kenne ich nur grundsätzliche Vorurteile über blinde
Menschen. Hierbei ist mir wichtig, dass blinde Menschen „nur“ nicht sehen
können, der Rest aber einwandfrei funktioniert. Ich finde es schön, wenn
wir als ganz normale Sportlerinnen und Sportler wahrgenommen werden.
Wie hat der Sport Dein Leben außerhalb des Triathlons beeinflusst? Hast
Du Lektionen gelernt, die Dir in anderen Lebensbereichen geholfen
haben?

Ich denke, der Sport hat mein Leben in vielerlei Hinsicht geprägt. Ich
stoße im Training oft sowohl körperlich als auch mental an meine Grenzen
und gelegentlich gehe ich auch darüber hinaus. Das hilft mir auch im
Alltag enorm, mich durchzubeißen, gerade wenn es mal nicht so nach
Plan läuft. Außerdem kann ich im Alltag von meiner Körperstabilität und
meinem Gleichgewichtssinn profitieren. Natürlich nehmen auch viele
Menschen wahr, dass ich Sport treibe. Einerseits ist es natürlich toll, wenn
ich Erfolge feiern kann und sich andere mit mir freuen. Dies bringt aber
andererseits Druck mit sich, weil dann auch die Erwartungen an mich
beim nächsten Wettkampf hoch sind.
Wie siehst Du die Entwicklung des Para-Sports in den nächsten Jahren?
Was wünschst du Dir für die Zukunft blinder Athletinnen und Athleten?
Ich hoffe, dass sich noch mehr Menschen f
ür Sport begeistern – und zwar
unabhängig davon, ob sie eine Behinderung haben oder nicht. Vergleicht
man beispielsweise die Teilnehmendenzahlen von Rio, Tokio und Paris,
dann lässt sich für einige Sportarten ein deutlicher Zuwachs feststellen,
was ich als sehr zuträglich für die Entwicklung erachte. Zukünftig würde
ich mir sehr wünschen, dass mehr Wettbewerbe inklusiv ausgetragen
werden, wie es zum Beispiel bereits bei vielen Sportarten der Fall ist. Ein
durchaus erwähnenswertes Beispiel dafür ist meiner Ansicht nach die
Para-Radsport WM 2024 in Zürich. Ich finde es persönlich vollkommen
verständlich, dass Menschen mit unterschiedlichen Einschränkungen nicht
gleichzeitig in einer Startgruppe mit Athletinnen und Athleten ohne
Einschränkung starten. Aber es wäre schön, wenn es sich immerhin um
denselben Austragungsort handeln könnte, damit die Athletinnen und
Athleten mit und ohne Einschränkung miteinander in Kontakt treten
können, was ja leider sehr selten der Fall ist. Generell wünsche ich mir
sowohl für olympische als auch für paralympische Sportlerinnen und
Sportler noch mehr Unterstützung und Förderung vom Bund und den
Ländern. Natürlich hat sich in den vergangenen Jahren schon einiges
getan, aber nach meiner Einschätzung ist in Deutschland, etwa im
Vergleich zu anderen Nationen wie Frankreich oder China, noch Luft nach
oben. Das lässt sich dann eben auch am Medaillenspiegel ablesen.
Ist Dir der innere Schweinehund schon mal begegnet? Wie motivierst Du
Dich an Tagen, an denen Du Dich vielleicht nicht so gut fühlst?

Ja, der innere Schweinehund begegnet mir schon oft. Vor allem dann,
wenn ich am Morgen trainiere, weil ich kein Morgenmensch bin. Ich denke
dann einfach daran, wie gut es sich hinterher anfühlt. Oft gelingt es mir,
während des Trainings an andere Dinge zu denken. Dann denke ich zum
Beispiel an schöne Ereignisse wie ein bevorstehendes Treffen mit
Freundinnen und Freunden oder ich versuche im Kopf, universitäre
Lerninhalte zu rekonstruieren.
Welche Botschaft möchtest Du an junge Menschen weitergeben, die
ähnliche Ziele verfolgen?

Ich denke, es ist sehr wichtig, den Glauben an sich selbst und den inneren
Kompass zu bewahren, auch wenn man auf Widerstände stößt. Mich
motiviert dann oft eine Volksweisheit, die ihren Ursprung in der
chinesischen Philosophie hat. Sie erzählt die Geschichte von einem
scheinbar unbezwingbaren Berg: „Alle sagten, das geht nicht und dann
kam einer, der wusste das nicht und hat es einfach gemacht.“ Diese
Weisheit gilt als ein Ausdruck für die Überwindung von gesellschaftlichen
Erwartungen, Zweifeln oder Vorurteilen und symbolisiert den Mut, Dinge
zu tun, die andere für unmöglich halten. Meine Eltern haben mir oft davon
erzählt.
Was würdest Du jemandem raten, der neu beim Triathlon ist oder darüber
nachdenkt, mit dem Sport zu beginnen?

Zunächst einmal ist es meiner Meinung nach wichtig, sich umfassend und
fundiert über die Gegebenheiten und die Umstände zu informieren und
sich klar zu machen, welche Ziele man für sich erreichen möchte. Ich
denke, je höher die Ziele, desto umfassender muss man dann
recherchieren und planen. Hierbei kommen Fragen nach der
Trainingsgestaltung auf – wie beispielsweise, ob man lieber alleine oder in
einer Gruppe trainieren möchte, welches Equipment erforderlich ist und
welche Rennen bestritten werden. Sinnvoll ist es sicherlich, sich mit
anderen Gleichgesinnten auszutauschen.
Was machst Du gern in Deiner Freizeit, wenn Du nicht trainierst? Gibt es
Hobbys oder Interessen, die Dir helfen, zu entspannen?
Mir ist es sehr wichtig, Zeit mit meiner Familie und mit Freundinnen und
Freunden zu verbringen. Darüber hinaus befasse ich mich auch sehr gern
mit technischen Entwicklungen bei Rechnern und Smartphones.
Außerdem höre ich gern Musik oder lese und ich habe großen Spaß an der
Weitergabe und Vermittlung von Lerninhalten, zum Beispiel in der
Nachhilfe. Die fachlichen Inhalte des Studiums eignen sich meiner
Meinung nach ebenfalls als eine spannende Freizeitbeschäftigung neben
dem Sport.
Danke, Liebe Lena, dass Du uns so offen Rede und Antwort gestanden
hast. Wir wünschen Dir weiterhin viel Erfolg bei allen Dingen, die Du
anpackst. Wir hören uns sicher wieder.

Ja, sehr gerne. Ich hatte viel Freude an unserem Gespräch und wünsche
allen Leserinnen und Lesern, Hörerinnen und Hörern alles erdenklich Gute
und vor allem Gesundheit.