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PRO RETINA bei der Übergabe der Teilhabeempfehlungen für eine inklusive Kultur
Demokratie braucht Inklusion: PRO RETINA bei der Übergabe der Teilhabeempfehlungen für eine barrierefreie Kultur
Am 02. Dezember 2024 nahm die PRO RETINA Interessenvertretung an einer inspirierenden Veranstaltung teil, die ein zentrales Thema unserer Zeit in den Mittelpunkt stellte: die Bedeutung von Inklusion im Kulturbereich. Anlässlich des Internationalen Tags der Menschen mit Behinderung am 3. Dezember 2024 wurden in einem feierlichen Rahmen die „Teilhabeempfehlungen für Kunst und Kultur“ an Claudia Roth, Staatsministerin für Kultur und Medien, sowie Katrin Budde, Vorsitzende des Ausschusses für Kultur und Medien des Deutschen Bundestages, übergeben.
Gastgeber der Veranstaltung waren Jürgen Dusel, Beauftragter der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen, Prof. Christian Höppner, Präsident des Deutschen Kulturrates, und Olaf Zimmermann, Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates.
Im Anschluss fand eine lebendige Podiumsdiskussion statt, bei der Vertreterinnen und Vertreter aus Politik, Kultur und Zivilgesellschaft die Gelegenheit hatten, sich auszutauschen und ihre Perspektiven zur Förderung einer inklusiven und barrierefreien Kulturlandschaft zu teilen.
Die Diskussion setzte neue Impulse und lieferte wertvolle Anregungen, wie die kulturelle Teilhabe für alle Menschen, unabhängig von ihren Fähigkeiten, nachhaltig gestärkt werden kann.
Eine Vision für die Demokratie
Die Veranstaltung begann mit einer eindringlichen Rede von Jürgen Dusel. „Kunst, Kultur und Medien prägen unser Bild von der Welt – und Menschen mit Behinderungen müssen darin sichtbar sein“, betonte er. Dusel verwies auf die systematischen Barrieren, die Menschen mit Behinderungen immer noch ausschließen. „Menschen mit Behinderungen sind in der Kunst und Kultur unterrepräsentiert – nicht, weil sie weniger talentiert wären, sondern weil ihnen systematisch der Zugang erschwert wird.“
Er hob hervor, dass die erarbeiteten Teilhabeempfehlungen auf intensiven Werkstattgesprächen mit Expertinnen und Experten basieren. „Demokratie braucht Inklusion, und Inklusion braucht Demokratie“, fasste er zusammen und warnte vor Kürzungen im Kulturbereich, die vor allem inklusive Projekte gefährden könnten.
Ein tiefer Einblick in die Kulturlandschaft
Prof. Christian Höppner sprach von der Zusammenarbeit mit Jürgen Dusel und dem Deutschen Kulturrat als einem „großen Lernprozess“. Besonders die Werkstattgespräche hätten wertvolle Einblicke in die Herausforderungen und Chancen einer inklusiven Kulturarbeit geboten.
Höppner betonte, dass der Zugang zu Kultur ein fundamentales Menschenrecht sei. „Neugierde auf das Unbekannte ist es, die uns als Gesellschaft weiterbringt“, sagte er. Mit Blick auf aktuelle Entwicklungen im Kulturbereich äußerte er jedoch Sorge: „Die Erosion des Verständnisses, dass Kultur eine öffentliche Aufgabe ist, gefährdet unsere Demokratie. Kultur darf nicht als Luxusgut betrachtet werden.“
Inklusion als politische Querschnittsaufgabe
Staatsministerin Claudia Roth verdeutlichte die immense Bedeutung von Inklusion, indem sie an künstlerische Ikonen wie Ludwig van Beethoven, Vincent van Gogh und Frida Kahlo erinnerte. Sie betonte, dass diese Persönlichkeiten nicht trotz, sondern gerade mit ihren besonderen Lebensbedingungen bahnbrechende Werke schufen, die die Welt geprägt haben. „Sich auszudrücken, kreativ zu sein, ist ein Menschenrecht“, sagte Roth und stellte klar, dass die Gesellschaft nicht auf das künstlerische Potenzial solcher Menschen verzichten dürfe.
„Die UN-Behindertenrechtskonvention fordert, dass Menschen mit Behinderungen ihr kreatives Potenzial entfalten und die Gesellschaft damit bereichern können.“ Roth betonte, dass Inklusion kein Zusatz, sondern eine Querschnittsaufgabe sei, die sich in allen kulturellen Fördermaßnahmen widerspiegeln müsse. Sie nannte Vorzeigeprojekte wie das Theaterstück „Nie wieder Krieg“ des Theaters RambaZamba oder die Arbeit der Münchner Kammerspiele. „Es geht darum, Barrieren nicht nur abzubauen, sondern eine neue Normalität zu schaffen, in der jeder Mensch seinen Platz findet“, sagte sie.
Inklusion in der Kultur als politische Aufgabe
Katrin Budde, Vorsitzende des Ausschusses für Kultur und Medien, äußerte mit Bedenken, dass der Zugang von Menschen mit Behinderungen zu kulturellen Einrichtungen oft als selbstverständlich angesehen wird. „Wir gehen davon aus, dass Menschen mit Behinderungen dieselben Rechte wie alle anderen Bürger haben“, erklärte Budde. Sie wies jedoch darauf hin, dass die Realität häufig anders aussieht. Sie betonte die Notwendigkeit, das Bewusstsein für dieses Thema zu schärfen, und lobte die Teilhabeempfehlungen als einen wichtigen Schritt in die richtige Richtung.
Budde rief die Politik dazu auf, Inklusion in der Kultur als selbstverständlichen Teil des gesellschaftlichen Lebens zu fördern und nachhaltig umzusetzen. In diesem Zusammenhang äußerte sie die Hoffnung, dass der Bundestag die Teilhabeempfehlungen in einen Beschluss überführt, um die Bedeutung der Inklusion in der Kultur noch stärker zu verankern. Sie bedauerte jedoch, dass es in dieser Legislatur nicht mehr gelingen werde, dieses Ziel zu erreichen. Auch wenn sie selbst nicht mehr dabei sein werde, sei sie zuversichtlich, dass viele ihrer Kolleginnen und Kollegen aus ihrer Fraktion sowie aus anderen Parteien diese Idee weiterhin unterstützen und in der kommenden Legislatur umsetzen werden. Deshalb werde es, solange sie und ihre Kollegen noch im Amt seien, ihre Aufgabe sein, das Thema in die verschiedenen Fraktionen und Parteien einzubringen, dafür zu sorgen, dass es in Wahl- und Regierungsprogrammen berücksichtigt wird und letztlich im Koalitionsvertrag verankert wird.
Einblicke in die Praxis: Herausforderungen und Potenziale
Die Podiumsdiskussion, moderiert von Tan Caglar, brachte verschiedene Perspektiven zusammen.
Andreas Krüger, Inklusionsberater der Berlinischen Galerie, schilderte die Schwierigkeiten, mit denen Menschen mit Behinderungen im Kulturbereich konfrontiert sind, und berichtete in diesem Zusammenhang von den Herausforderungen, die er selbst als Mensch mit Behinderung überwinden musste. Krüger forderte die Kulturbetriebe auf, sich selbstkritisch mit Strukturen der Diskriminierung auseinanderzusetzen und inklusivere Arbeitsumfelder zu schaffen.
Katarzyna Wielga-Skolimoska von der Kulturstiftung des Bundes hob hervor, dass Inklusion durch praktische Zusammenarbeit vorangetrieben werde. „Nur durch das Tun können Institutionen verstehen, was Inklusion wirklich bedeutet“, erklärte sie. Wielga-Skolimoska betonte auch die künstlerischen Potenziale inklusiver Arbeit: „Die ästhetische Vielfalt, die sich durch inklusive Kunst ergibt, bereichert unsere Gesellschaft.“
Elisabeth Kaufmann vom Deutschen Gehörlosen-Bund kritisierte die allgegenwärtigen Kommunikationsbarrieren. „Selbst bei Veranstaltungen, die Gehörlosenkultur thematisieren, fehlen oft Gebärdensprachdolmetscher. Das ist nicht akzeptabel“, sagte sie. Kaufmann plädierte für eine Selbstverständlichkeit von Barrierefreiheit in allen kulturellen Prozessen.
Olaf Zimmermann, Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates sprach über die Rolle der Politik und den finanziellen Aspekt von Inklusion. „Es reicht nicht, gute Absichten zu haben. Wir brauchen konkrete Maßnahmen und die entsprechenden Mittel“, betonte er. Zimmermann rief dazu auf, Inklusion nicht als soziale Gefälligkeit zu verstehen, sondern als notwendige Bedingung für kulturelle Vielfalt. „Wir müssen bereit sein, die künstlerische Auseinandersetzung auf Augenhöhe zu führen“, sagte Zimmermann.
Auf dem Weg zu einer inklusiven Kulturlandschaft
Die Veranstaltung markierte einen bedeutenden Schritt in Richtung einer inklusiven Kulturpolitik. Die vorgestellten Teilhabeempfehlungen, die auf intensiven Dialogen und Analysen basieren, bieten einen klaren Handlungsrahmen.
„Wir haben heute die Chance, einen Grundstein für die Zukunft zu legen“, erklärte Jürgen Dusel in seinem Schlusswort. „Doch die Arbeit beginnt erst jetzt.“
Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Abends waren sich einig: Eine inklusive Kulturlandschaft ist keine Frage des Wollens, sondern des Handelns. Die vorgestellten Empfehlungen bieten die Grundlage, doch ihre Umsetzung erfordert das Engagement aller – von der Politik über Kulturinstitutionen bis hin zur Gesellschaft.