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Eine chinesische Teezeremonie

Von Sandra Moqaddem

Das bunt gefärbte Laub von zurechtgestutzten Bäumen im Innenhof des

Ostasiatischen Museums und sorgfältig arrangierte Tonkrüge auf Kies stimmten uns auf die bevorstehende Veranstaltung ein. Passend zum herbstlichen Wetter trafen wir uns am 29.10.2011 - interessierte Mitglieder der Regionalgruppe Köln - in zwei Kleingruppen vor dem Ostasiatischen Museum.

Wir wollten erleben, auf welche Art und Weise in China Tee zubereitet wird und dadurch Einiges über Kultur und Gebräuche erfahren. In dem "Drachenraum" war alles angerichtet.

Claudia Grötzebach vom Ostasiatischen Museum führte die Teezeremonie durch. Sie erklärte uns, dass wir einige Mythen einfach mal ganz schnell in den

Bereich der Ammenmärchen verschieben sollten, so jenes, dass Tee mit

Wasser bei siebzig Grad aufgegossen wird. Das Wasser sei einfach viel zu kalt, um die Aromastoffe im Tee zu wecken. Genauso abwegig sei es, dass lang gezogener Tee beruhigend und nur kurz gezogener Tee anregend wirke!

Alle Züchtungen von Teesträuchern gehen auf zwei Arten zurück, die im Norden von Indien und in China heimisch sind. Teeblätter können im Frühjahr, im späteren Frühling, im Sommer und im Herbst geerntet werden. Der first flush aus der Frühlingsernte ist besonders spritzig, vergleichbar mit dem Darjeeling oder einem Champagner. Je später die Ernte, desto kraftvoller der Tee im Geschmack. Grüner und Schwarzer Tee unterscheiden sich nur im Fermentierungsgrad. Während der Grüne Tee nicht fermentiert - er wird nach dem Pflücken nur kurz

erhitzt, geröstet oder gedämpft und schnell getrocknet -, macht der

Schwarze Tee einen Fermentierungs- oder Gärungsprozess durch und

verändert so seinen Geschmack. Er ist also länger der Feuchtigkeit

ausgesetzt.

Frau Grötzebach zeigte uns eine chinesische Thermoskanne, die mit Naturholz umwickelt und oben mit einem Holzstopfen verschlossen war. Eigentlich müsste man meinen, dass diese Kanne noch nicht einmal dicht ist, aber Frau Grötzebach hat abgesehen von den chinesischen Thermoskannen keine erlebt, die Wasser 24 Stunden lang warm hält.

Gebräuchlich ist in den chinesischen Haushalten ein Wasserkocher, der nicht nur das Wasser kocht, sondern vergleichbar mit dem Bimetallstreifen im Bügeleisen das Wasser immer auf einer Temperatur von etwa 70 bis 100 Grad hält.

Die Teezeremonie zur Tang-Zeit beinhaltete, dass der Tee ausgelesen, zu Pulver zerkleinert und mit einem Bambusquirl so lange geschlagen wurde, bis möglichst viel Schaum den Tee bedeckte. Der Bambusquirl erregte viel Aufmerksamkeit bei unseren Mitgliedern.

Heute wird im Alltag nicht mehr so viel Zeit für die Zeremonie aufgewendet

und einzeln abgepackte Teeportionen werden - wie bei uns - in Becher

gehängt. Weit verbreitet sind durchsichtige Kunststoffbecher mit Deckel

oder in einer mehr bürgerlichen Version aus Keramik oder Metall mit

einem Deckel, wie man sie auch bei uns seit Ende der Achtziger Jahre in

Asienläden kaufen kann.

Der Tee wird in China ohne Zucker getrunken. Im Norden Chinas gibt es reinen Tee, ohne Beilagen. Im Süden werden dazu kleine Beilagen - dim sum: "kleine Leckerbissen, die das Herz berühren" - gereicht. In einigen Gegenden wird Tee wie Nahrung aufgefasst, beispielsweise mit Milch oder als Buttertee in der Mongolei,oder es gibt Teesuppe. Wir hatten Tellerchen mit getrockneten Nüssen,

Früchten und Sesamriegeln zu unserem Tee.

Die aufkommende Zeremonie der darauffolgenden Zeit brauchte andere Utensilien.

Der lose abgepackte Tee in runden Dosen wurde mit einem breiten und

leichten Spatel entnommen. Dieser Spatel ist aus Bambus und lackiert. In

diesem Spatel wird der Tee verlesen und das Auszusortierende mit einer

Pinzette entnommen. Nun kamen verschiedene Werkzeuge aus dem Teebesteck

zum Einsatz.

Bestandteil dieser Zeremonie ist ein Holzkasten mit einer Schublade für den

Wasserablauf. Diesen haben wir aus praktischen Gründen nicht benutzt, sondern Schälchen aus rotem Steinzeug, die wie Stövchen aussehen. Davon waren zwei notwendig: Eines, worauf die Teekanne stand und eines, worauf unsere Tässchen standen. Nun wird das Ganze für uns recht ungewohnt, hat aber einen praktischen und hygienischen Hintergrund: In die Teekanne wird heißes Wasser gefüllt. Damit werden die Teetässchen übergossen und somit einerseits gereinigt und andererseits auf Temperatur gebracht.Das Wasser fließt nach dem Ausleeren der Tassen mit der Pinzette in das Stövchen ab. Die Gäste der Teezeremonie dürfen diese Aktion durchaus miterleben. Das ist so gewollt und hat auch eine soziale Komponente. Man erlebt, wie der Ablauf der Zeremonie vor sich geht, kommt ins Gespräch,tauscht sich aus, die Gesprächsthemen wechseln zwanglos hin und her. Das kann alles zwischen Tee, Gott und der Welt sein.

Nachdem die Tässchen gespült sind, geht es an die Zubereitung des Tees. Auch die Kanne wird noch einmal mit einem Schwung heißen Wassers gereinigt. Das Wasser aus der Kanne wird wiederum in das darunter stehende Stövchen abgegossen. Aus dem ausgelesenen Blütentee - es sind geschlossene Rosenknospen - entnimmt Frau Grötzebach einen Spatelvoll und gibt ihn in

die gerade heiß ausgespülte Teekanne, in der nur Rosentee zubereitet wird.

Nun kommt für den ersten Aufguss eine Portion kochenden Wassers darauf.

Wenige Sekunden später fließt dieser schon nach unten in das Stövchen.

Die Knospen sind gereinigt, nun kommt der eigentliche Aufguss drauf.

Hierzu wird ein runter Trichter aus dem Teebesteck verwandt, dessen

Öffnung oben größer ist als die Öffnung der Teekanne, um das Wassereingießen zu vereinfachen.

Nach wenigen Sekunden kann der Tee vorgekostet werden und die Anwesenden dürfen Farbe und Geruch kommentieren. Alsdann wird auf dem zweiten Stövchen in die restlichen Tässchen ausgeschenkt, und zwar in einem Schwunge kreisherum, egal, ob Wasser danebenplätschert oder nicht, so dass jeder Tee von oben und von

unten aus dem Kännchen mit den gleichen Aromastoffen erhält. Wir würden

ja jede Tasse einzeln vollschenken, dadurch würde eine Tasse mehr Tee

von oben, und die letzte Tasse nur noch Tee von unten aus der Kanne

bekommen.

Mit einer Zange werden die Tässchen an die Anwesenden verteilt. Nichts wird mit den Fingern angefasst.

Die Keramik ist fein verarbeitetes und mit Schriftzeichen bestücktes rotes

Steinzeug, von innen weiß glasiert. Die Kanne hat von innen keine Glasur, so dass sich dort die Patina des Tees ablagern kann. Sie ist aber so hoch gebrannt, dass sie trotzdem wasserdicht ist. Tässchen und Kanne sind tatsächlich sehr klein. Die Tässchen enthalten maximal die Menge einer kleinen Espressotasse.

Es erging uns wie bei einer Weinprobe. Wir kommentierten Farbe, Geruch, Aroma des Tees, nachdem wir ihn gekaut hatten und testeten auch den Abgang. Der Rosentee - wie kann man es sich anders denken - schmeckt nach Rosen, hat nur wenige Sekunden Ziehzeit und ist ein Damentee, wie Frau Grötzebach betonte. Dann

erfuhren wir, dass Asiaten beim Lachen nicht ihre Zähne zeigen und

früher die Frauen in ihren langen Gewändern mit den weiten Ärmeln eine

bestimmte Sitzhaltung einnahmen, um den Mund zu bedecken - eventuell

noch mit einem Fächer - kokett lächelten, Sympathie- und Anstandsgesten

zeigten und dann den Tee tranken.

Mittlerweile gab es den zweiten Aufguss der Rosenknospen, der kräftiger war. Der dritte Aufguss orientierte sich nicht mehr so am flüchtigen leichten wie der erste, sondern eher am Abgang und war etwas herber.

Frau Grötzebach zeigte uns Fotos von Tischen aus Wurzelholz, die für eine Teezeremonie verwendet werden können. Man muss sich das so vorstellen wie die

Brunnenlandschaften, die in den Achtziger Jahren für das Wohnzimmer bei

uns in Mode waren. in denen das Wasser im Kreislauf in Kaskaden

herunterfloss. Nur, dass wir hier keinen Kreislauf haben. Teekanne und

Tässchen stehen eben oben auf dem Tisch und das ablaufende Wasser

versickert im Boden. Bürgerliche Chinesen haben diese Teezeremonie

durchaus im Freien durchgeführt. Man fühlt sich an "La Grande Jatte" von

Seurat oder Manets "Frühstück im Freien" erinnert. Bedienstete

transportierten die Utensilien in kleinen Bambusköfferchen.

Nachdem wir den Rosentee verkostet hatten, machte eine taktile Landkarte von

China die Runde und Frau Grötzebach zeigte uns einige Gebiete. Frau Palm

und Frau Forschbach konnten einige Gegenden ausmachen, die ihnen

bekannt waren.

Nun ging es ganz gespannt an Teesorte Nummer zwei. Es war ein Jasmintee, der sich in den Achtzigern in China großer Beliebtheit erfreute. Während wir hier in den Geschäften oft an mit Jasminblüten aromatisierten Schwarzen Tee kommen, hatten wir nun die Möglichkeit, in den Genuss wirklichen Jasmintees zu kommen. Die Blätter waren trocken nach der Pearl-Technik verarbeitet worden, sie waren also gerollt und würden sich unter dem kochenden Wasser in der Kanne

entpacken. Das Ergebnis in der Teekanne nach Aufguss eins und zwei war

durchaus ein Foto wert. Die Blätter kringelten sich in der Teekanne in

interessanten Strukturen. Nach dem zweiten Aufguss hatten sich diese

noch einmal verändert, "der Tee lebt", das konnte man im wahrsten Sinne

des Wortes erfahren.

Auch dieser Tee zog nur wenige Sekunden und vergleichbar zum Rosentee war auch der erste Aufguss sehr fein, blumig und zart. Der zweite Aufguss war schon kräftiger, während der dritte schon fast bitter war. Natürlich war die Farbe - verglichen mit dem Rosentee - eine andere.

Aus Shanghai kommt die aktuelle Mode, Rosenblätter zu Kugeln zu verarbeiten und in Grünen Tee zu packen, so dass daraus große grün-rosa dekorative Bälle - in der Größe eines kleinen Flummis - entstehen. Diese werden in gläsernen Teekannen zubereitet, so dass man der Kugel zusehen kann, wie sie sich unter dem

heißen Wasser ähnlich einer Lotusblüte in der Kanne entfaltet. Dieses

konnten wir nicht erleben, aber diese verarbeiteten Rosenblätter machten

in einer durchsichtigen Dose die Runde und sorgten für viel Erstaunen.

Der dritte Tee war eine wirkliche Überraschung. Es war Süßholztee. Auch

hier waren die Blätter in der Pearl-Technik gerollt. Auch der Süßholztee

war sehr interessant und im Geschmack kaum zu beschreiben. Der erste

Aufguss leicht, der zweite kräftig und der dritte im Abgang nach Lakritz

schmeckend.

Frau Grötzebach zeigte uns einen kleinen Gag: Schokolade, die in Goldpapier eingepackt war und wie alte chinesische Goldbarren aussah. Das gibt es leider in China praktisch nicht mehr zu kaufen.

Viele

Chinesen seien überschnell in der Moderne angekommen, hätten die

kommunistische Zeit und die Kulturrevolution hinter sich gelassen - und

nach Überresten des alten kaiserlichen China muss man leider lange

suchen. Es gab auch eine in Gold eingepackte Erdnuss aus Schokolade, die

für Fruchtbarkeit steht.

So beendeten wir unsere interessanten

Diskussionen und interessanten Austausch leider viel zu schnell und

waren uns einig, dass wir etwas ganz Besonderes erlebt hatten - sowohl

kulturell, als auch für unsere Sinne und unsere Emotionen.