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Aktiv mit Usher

Mein Name ist Petra Rietscher, ich bin verheiratet und Mutter von zwei gesunden, erwachsenen Söhnen. Ich selbst bin vom Usher Syndrom 2A betroffen und erhielt die Diagnose im Jahr 2019. Ich bin von Geburt an hochgradig hörgeschädigt. Im frühen Erwachsenalter kamen dann beginnende Nachtblindheit und fortschreitender Sehverlust wie auch schlechtes Farbensehen dazu. Ich habe ein Gesichtsfeld von 3 Grad und das Verstehen mit zwei Hörgeräten bei 35 - 40 %. 1999 und 2001 wurde ich am grauen Star operiert. Vom Gesetz her bin ich heute taubblind sowie hör-sehbehindert mit dem Mkerkzeichen TBL.
Neben dem erfolgreichen Usher-Beraterseminar nahm ich an weiteren Kursen bzw. Workshops für Lormen, eine Taubblindensprache auf der Handinnenfläche, sowie für “Haptic Body Sign”, eine am Körper ausgeführte Kommunikation, teil. Nebenbei absolviere ich noch zweimal wöchentlich bis Ende September den Gebärdensprach- Grundkurs. Eine Verlängerung des Kurses wird von mir nicht weiter angestrebt. Ich festige im Alltag die Gebärdensprache mit meinen Gehörlosen-Assistenten und mit von Gehörlosigkeit betroffenen Taubblinden.
Die Diagnose und das Leben danach
Sobald man von der Diagnose Usher Syndrom erfahren hat, bricht bei den meisten Betroffenen eine Welt zusammen. Viele werden depressiv und wissen nicht wie weiter. Auch für Partner, Eltern und Angehörige ist es wahrlich nicht einfach, mit der Diagnose des Betroffenen umzugehen. Wenn zum Beispiel der Augenarzt kurz und knapp vermittelt, dass Usher- Betroffene eines Tages nichts mehr hören und sehen können und taubblind werden. Eine Heilung ist aktuell noch nicht in Aussicht. Angehörige und Betroffene müssen sich von nun an darauf einstellen, ihr altes Leben hinter sich zu lassen, komplett umzustellen und sich neu zu orientieren. Es ist für uns besonders schmerzlich, nicht mehr selbst PKW und Motorrad fahren zu dürfen oder zusätzlich auf einige wenige Sportarten verzichten zu müssen.
Meine allererste Begegnung mit Usher- Betroffenen und deren Angehörigen hatte ich vor Jahren bei einem Seminar in Österreich in Wien, organisiert von der "Selbsthilfe Taubblind Österreich". Dort habe ich viele positive Eindrücke und Erfahrungen mitgenommen. Ärzte für HNO und Augenheilkunde von der Uniklinik Wien und Klagenfurth hielten einen Vortrag zum Thema Usher Syndrom, Studien und deren Verläufe. Sie gaben uns einen Einblick in Forschung, Hilfsmittel und vieles mehr. Es war für mich sehr positiv zu wissen, da draussen gibt es noch mehr Usherle und sie meistern ihren Alltag auch, so gut es geht, selbstbestimmt. Mit viel Optimismus, Fleiß, Hilfe und Unterstützung kann man trotz Handicap Usher-Syndrom seinen Lebensalltag gut meistern.
Teilhabe am gesellschaftlichen Leben
Ich für mich persönlich bin gut aufgestellt und konnte bisher aktiv in die Welt der taubblinden Menschen eintauchen. Mein Wunsch war und ist es noch immer, von Taubblindheit Betroffene mehr in die Gesellschaft zu integrieren. Ihnen soll und kann zu einem selbstbestimmten Leben verholfen werden. Es gibt noch viele von Taubblindheit Betroffene, die keinen Zugang zur Außenwelt haben. Sie sind ja nicht behindert, sondern werden noch heute oft von der eigenen Familie behindert. Hier sehe ich die Hilflosigkeit auf beiden Seiten gegeben. Es ist noch sehr viel Aufklärungsarbeit nötig, um Angehörige wie auch Betroffene begleiten und unterstützen zu dürfen. Ich habe neuen Lebensmut gefunden. Es gibt heute so viele Möglichkeiten, sich mit Betroffenen auszutauschen, Gebärde, Haptic Body Sign, Brailleschrift oder auch Lormen zu erlernen, um unter anderem auch mit taubblinden Menschen kommunizieren zu können. Heute ist es auch möglich, einer beruflichen Tätigkeit nachzugehen.
Meine Beratungs.- und Hilfsangebote
Das Leitungsteam der Regionalgruppe Dresden unter der Leitung von Steffen Beck ist sehr gut aufgestellt. Man findet mich als Usher-Beraterin und auch unsere Beraterinnen und Berater für hör-sehbehinderte, sehbehinderte und blinde Menschen auf der gelben Liste von Pro Retina. Selbst hatte ich bereits einige telefonische Beratungen durchführen und den Betroffenen wie auch Angehörigen weiterhelfen können. Nach vorheriger Vereinbarung biete ich telefonisch, persönlich, per Chat oder über E-Mail für Angehörige, Betroffene und Eltern betroffener Kinder Beratungen an. Mein Ziel ist es , dass Menschen mit doppelter Sinnesbehinderung ein selbstbestimmtes Leben führen können.
Meine Beratungen finden zu folgenden Themen statt:
- Antrag und Beratung zum persönlichen Budget für Taubblindenassistenz
- Vermittlung zu Selbsthilfegruppen
- Austausch von und mit Betroffenen
- Lebenspraktische Fähigkeiten für den Alltag und verschiedene Bedarfe
- Reisen mit Taubblindheit, Freizeitangebote
Mein Motto lautet: “Hilfe zur Selbsthilfe !”
Gebärdensprachen und Inklusion
Das Problem in Deutschland besteht darin, dass es keine einheitliche Gebärdensprache gibt, sondern 28 unterschiedliche Kommunikationsformen von Gebärden. Um die jeweilige Muttersprache aller Gehörlosen verstehen zu können, muss man hierfür ganze vier Jahre studieren. Heute kommen Gebärdensprachdolmetscher zum Einsatz, wo taubblinde Menschen Unterstützung benötigen, z.B. bei Arztbesuchen, auf Ämtern und Kulturveranstaltungen. So werden auch Missverständnisse vermieden.
Seit drei Jahren stehe ich mit dem Landesbeauftragten für Inklusion in Sachsen, Herrn Michael Welsch, in Kontakt. Hier setze ich mich stark für alle in Sachsen lebende, von Taubblindheit betroffene Menschen ein und arbeite weiterhin an guten Lösungen. Im Freistaat Sachsen leben rund vier Millionen Menschen, davon allein 800.000 mit einer oder mehreren Behinderungen. Mehr als die Hälfte davon sind schwerbehindert laut Aussage von Herrn Welsch.
Allein auf die Zugspitze - ein Traum geht in Erfüllung
Ich hatte einen großen Wunsch auf meiner Agenda, hoch hinaus nach Garmisch Partenkirchen auf die Zugspitze. Trotz dass ich keine Begleitung gefunden hatte, traute ich mich, die Reise alleine anzutreten. Es war eine Art Mutprobe von mir und ich testete mich selbst, was geht noch und was nicht mehr. Ich musste zum ersten Mal so viele Menschen ansprechen und auch bitten, mich auf bestimmten Wegen zu begleiten. Ich erwähnte auch mein Schicksal und erzählte von meinem Wunsch, einmal sicher nach ganz oben auf den höchsten Berg Deutschlands zu gelangen. Alle waren so hilfsbereit und freuten sich sehr für mich, als ich endlich die letzte Station auf der Plattform erreichte und nun die Aussicht in vollen Zügen genießen konnte. Ein großer Traum ging für mich in Erfüllung und ich bin heute dankbar dafür, die Reise auf mich genommen zu haben. Ich bin auch dankbar, dass es hilfsbereite Menschen gab, die mich ohne Probleme begleiteten. Talabwärts wurde ich von einem Mitarbeiter der Bergwacht begleitet, der mich dem Busfahrer übergab, der bereits auf uns gewartet hatte und uns ins Hotel zurückbrachte. Eine tolle Erfahrung!
Das sind kleine Beispiele um zu sagen, man sollte lieber jetzt das Leben voll genießen, auch was man noch sehen und erleben möchte, bevor man es selbst nicht mehr kann. Ich musste im Laufe der Jahre lerne, Hilfe von außen anzunehmen. Das ist mir wahrlich nicht leicht gefallen.
Was ist das Usher Syndrom?
Das Usher Syndrom , genannt auch Taubblindheit oder Hör-Sehbehinderung, ist eine Einschränkung von Hör- und Sehsinn und bringt erhebliche Einschränkungen der Möglichkeit zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben mit sich. Ohne Angehörige oder Assistenz können viele taubblinde Menschen nicht mal das Haus verlassen, um zum Arzt, Einkaufen oder Schwimmen gehen zu können. Taubblindheit ist mehr als eine Summe allein von Blindheit, hochgradiger Hörschädigung wie auch Gehörlosigkeit. Wer nicht hören kann, ist mehr auf den Sehsinn angewiesen. Als Blinder nutzt man intensiv sein Gehör. Taubblinde müssen auf beide Hauptsinne verzichten und können viel weniger ausgleichen als jemand mit ”nur einer Behinderung”. Alleine in Sachsen leben laut Statistik 105 Menschen mit Taubblindheit und Hörsehbehinderung. Die Dunkelziffer liegt viel höher, als man glaubt. Eine Heilung für von Usher Betroffene ist noch nicht in Sicht. Es wird weiterhin aktiv geforscht. Der Verlauf des Usher Syndroms ist sehr individuell und variiert nach Typ und Erkrankung. Dementschend ist keine genaue Prognose des Verlaufs zu geben. Es besteht grundsätzlich die Gefahr einer Erblindung bis hin zur Taubheit.
Es gibt drei verschiedene Usher Typen und unterschiedliche Gendefekte:
Typ 1: von Geburt an gehörlos, im Laufe der Kindheit kommt die Sehbehinderung hinzu. Oftmals sind diese Patienten von Gleichgewichtsstörungen betroffen.
Typ 2: tritt doppelt so häufig auf wie Typ 1. Schwerhörigkeit ist sehr unterschiedlich stark ausgeprägt. Die Sehbehinderung tritt im frühen Erwachsenenalter auf.
Typ 3: ist eher selten, Sehbehinderung beginnt im frühen Erwachsenenalter. Kurz darauf kommt es zu einem fortschreitenden Hörverlust. In den jungen Jahren beginnt die Nachtblindheit und das eingeschränkte Sehen, der sogenannte Tunnelblick. im weiteren Verlauf der Jahre wird das Gesichtsfeld immer kleiner und trüber, bis es nicht mehr messbar ist.
Usher Syndrom ist eine autosomal- rezessiv vererbbare Hör- Seheinschränkung. Es ist eine Erbkrankheit, die Hör-, Seh- und Gleichgewichtstörungen umfasst und von beiden, selbst nicht betroffenen Eltern an die Kinder weitergegeben wird. Sobald beide Elternteile Träger dieses defekten Gens sind, besteht die Möglichkeit, dass eines oder mehrere Kinder mit Usher Syndrom geboren werden.
Für den Hörverlust ist eine Schädigung der Haarzellen, die sich im Innenohr befinden, verantwortlich. Durch den Schaden sind die Haarzellen nicht mehr in der Lage, mechanische Reize in nervliche Aktivitäten umzuwandeln.
Die Degeneration der Netzhaut nennt man auch Retinitis Pigmentosa, abgekürzt RP. Bei RP degeneriert langsam von außen nach innen die Netzhaut, während die Stelle des schärfsten Sehens in der Mitte lange erhalten bleibt. Es entsteht der sogenannte Tunnelblick. Die äußere Netzhaut hat die Funktion des Dämmerungs- und Nachtsehens, während die Netzhautmitte, wo das schärfste Sehen lokalisiert ist, für Farbensehen und Lesen verantwortlich ist.
Was ist Haptic Body Sign?
Haptic Body Sign ist eine sozialhaptische Kommunikation mit am Körper ausgeführten Zeichen. Diese wird von taubblinden Menschen, deren Angehörigen und Taubblindenassistenten im Alltag neben Lormen und Gebärden angewendet.
Haptic Body Sign stammt ursprünglich aus Finnland. Eine Dolmetscherin, die gleichzeitig auch Krankenschwester war und viel Zeit mit taubblinden Menschen verbrachte, hatte sich viele Gedanken über die Kommunikation gemacht. Wie überträgt man eine Information an eine Person, die nichts mehr sehen und hören kann? So entstand die erste haptische Kommunikationsform mit Berührungen am Körper, zum Beispiel an Schulter, Arm und Rücken. Im Alltag verwendete Zeichen am Oberarm können dem Taubblinden schnell und kurz vermittelt werden. Zum Beispiel *Kaffee ist fertig*, oder aber der Angehörige verlässt kurz den Raum in die auf der Schulter gezeichnete Richtung. Die haptische Kommunikation verbreitete sich im Laufe der Jahre weit über Dänemark und Schweden bis hin zu uns nach Deutschland.
Was ist Lormen?
Lormen ist ein Tastalphabet auf der Handinnenfläche und dient als Kommunikation von taubblinden mit nicht taubblinden Menschen sowie von Taubblinden untereinander. Der Sprechende tastet auf der Handinnenfläche des Lesenden. Dabei sind einzelnen Fingern sowie Handpartien bestimmte Buchstaben zugeordnet. Lormen ist für Schriftsprachkompetenz leicht erlernbar, denn es muss keine Sprache sondern ein Sprachsystem erlernt werden.