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Tunnelblickerkrankung-Patienten schauen in die Röhre
Tunnelblickerkrankung – Patienten schauen in die Röhre
Für Patientinnen und Patienten mit der seltenen, bislang unheilbaren Augenerkrankung Retinitis pigmentosa (RP) drohen – wieder einmal – Hoffnungen wie Seifenblasen zu zerplatzen: Die Firma Retina Implant hat im Frühjahr 2019 die Einstellung ihrer Geschäftstätigkeit angekündigt. PRO RETINA Deutschland fordert aus diesem Anlass nachhaltigere Rahmenbedingungen für Innovationen zur Therapie von seltenen Erkrankungen.
Bonn. Gleich zwei Innovationen für Menschen mit der seltenen erblichen Netzhauterkrankung RP sind von der Schließung der Reutlinger Firma Retina Implant betroffen. Es sind deren beiden wichtigsten Produkte: zum einen der subretinale Netzhautchip Alpha AMS, der bereits an RP erblindeten Menschen ein wenigstens bescheidenes visuelles Orientierungsvermögen wieder zurückgeben kann, zum anderen die transcorneale Elektrostimulation (TES), die bei RP-Patienten mit noch vorhandenem Sehvermögen das schicksalhafte Fortschreiten ihrer Augenerkrankung verlangsamen sollte.
Realistische Hoffnung für mehr Lebensqualität
„Wenngleich diese hochtechnologischen Therapieangebote weit von einer Heilung unserer unaufhaltsam fortschreitenden Netzhautdegeneration und auch weit vom Traum eines halbwegs normalen Sehvermögens entfernt sind, so stellten sie doch nach jahrzehntelangen kostenintensiven Forschungsaktivitäten in diesem Bereich erstmals für viele Patientinnen und Patienten eine realistische Hoffnung auf eine Verbesserung ihrer nachhaltig beeinträchtigten Lebensqualität dar“, sagt Franz Badura, der Vorsitzende von PRO RETINA Deutschland e.V., der Selbsthilfevereinigung von Menschen mit Netzhautdegenerationen.
„Und gerade auch Retina Implant hat sich nicht mit der alleinigen Marktzulassung seiner Produkte über ein entsprechendes CE-Zertifikat begnügt“, ergänzt Markus Georg, Geschäftsführer von PRO RETINA. Vielmehr hat sich die Firma dafür stark gemacht, den Nutzen der TES für Patienten als Voraussetzung für eine Kostenerstattung durch das deutsche Gesundheitssystem zu belegen. Der Hersteller hat 2014 beim Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) die Durchführung einer Erprobungsstudie beantragt, mit der noch bestehende Evidenzlücken geschlossen werden sollten. Der Hersteller hatte sich seinerzeit auch bereit erklärt, sich im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben an den Studienkosten zu beteiligen.
Erprobung lässt immer noch auf sich warten
In der Folge hat der G-BA mit fachlicher Unterstützung durch das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) das Potenzial der TES bestätigt und 2017 die Durchführung einer Erprobungsstudie beschlossen. In einem solchen Rahmen würden anfallende Behandlungskosten vom G-BA bzw. von den Krankenkassen getragen werden. Allerdings ist auch fast fünf Jahre nach Antragsstellung angesichts der zeitaufwändigen formalen Erfordernisse die praktische Umsetzung dieser Erprobung leider noch nicht gelungen. Und die damit verbundenen Hoffnungen vieler Patientinnen und Patienten drohen nun hinfällig zu werden – es sei denn, es findet sich kurzfristig doch noch ein Interessent, der die Produktion des Ocustim®-Systems weiterzuführen bereit ist.
Innovation muss im Lebensalltag ankommen.
PRO RETINA Deutschland fordert von politisch Verantwortlichen, nachhaltig geeignete Rahmenbedingungen zu schaffen, die es auch klein- und mittelständischen Unternehmen ermöglichen, unter überschaubaren finanziellen Risiken Innovationen zu entwickeln und auch für Patientinnen und Patienten mit seltenen Erkrankungen ohne überhöhte administrative Hürden zugänglich zu machen. „Ansonsten“, so Badura, „drohen solch kleine Patientengruppen, wie bei der Retinitis pigmentosa, wirklich zu „Orphans“, nämlich zu Waisenkindern des medizinischen Fortschritts zu werden und – wie jetzt – sprichwörtlich „in die Röhre zu schauen“.
Über Retinitis pigmentosa (RP):
Retinitis pigmentosa (RP) bezeichnet eine Gruppe von erblichen Augenerkrankungen, die eine Zerstörung der Netzhaut (Retina), des sehfähigen Gewebes am Augenhintergrund, zur Folge hat. In der Regel beginnt sich dabei das Gesichtsfeld von den Außenzonen her einzuengen, bis nur ein kleiner Sehrest im Zentrum übrigbleibt, der sogenannte. Tunnelblick oder das Röhrengesichtsfeld. Es gibt zahlreiche Unter- und Sonderformen dieser seltenen Augenerkrankung. Betroffen sind in Deutschland etwa 30.000 bis 40.000 Menschen. Mehr Informationen unter www.pro-retina.de/netzhauterkrankungen/retinitis-pigmentosa/krankheitsbild
Mehr über PRO RETINA Deutschland e.V. unter www.pro-retina.de/ueber-uns
Kontakte
Medizinische Fragen:
Dr. Sandra Jansen
Telefon (0228) 227 217 0
E-Mail: patientenregister@pro-retina.de
Interviewanfragen:
Dr. Marion Steinbach
Telefon (0228) 227 217 0